Deathgasm

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Zombies, Musik und junge Liebe

Nein, dieses Werk mit dem dezenten Titel Deathgasm hat nichts mit Nekrophilie und/oder Pornografie zu tun. Vielmehr handelt es sich um einen Film über (und für) den ewig unverstandenen Außenseiter. Der ist als Figur (sowie als Adressat) natürlich kein Novum; und auch das narrative Muster, das Writer-Director Jason Lei Howden nutzt, ist altbekannt: der vermeintliche Versager darf hier wieder einmal im Angesicht einer Katastrophe zum kühnen Helden heranreifen. Recht erfrischend ist allerdings die Tatsache, dass der Protagonist in Deathgasm für das hereinbrechende Übel selbst verantwortlich ist – und dass sich sein Heldentum bei der Errettung seines Umfeldes dann doch eher in Grenzen hält. Statt Pathos gibt es durchaus glaubwürdige teen angst, kombiniert mit schrägem Humor.
Die Hauptfigur Brodie (Milo Cawthorne) ist ein neuseeländischer Metalhead. Als seine Mutter in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen wird, kommt der Teenager bei seinem Onkel Albert (Colin Moy) und seiner Tante Mary (Jodie Rimmer) unter. Unseligerweise sind die beiden äußerst konservativ und halten Heavy Metal für Teufelsmusik; obendrein erweist sich ihr Sohn David (Nick Hoskins-Smith) als fieser Bully, der Brodie und seine neuen Geek-Freunde Dion und Giles (Sam Berkley und Daniel Cresswell) in der Schule schikaniert. Zum Lichtblick wird einerseits Davids sympathische Freundin Medina (Kimberley Crossman) – und andererseits die Begegnung mit Zakk (James Blake), einem Gleichgesinnten, mit dem Brodie, Dion und Giles eine Garagen-Band gründen. Als die jungen Männer das Versteck einer Metal-Ikone (Stephen Ure) entdecken, gelangen sie in den Besitz einer Komposition, die das Böse heraufbeschwören kann. Bald steht die gesamte Stadt in Flammen – und die Bewohner mutieren zu aggressiven Zombies.

Deathgasm ist zum einen selbstverständlich ein Splatter Movie, ganz in der Tradition von Klassikern wie Sam Raimis Tanz der Teufel oder den Frühwerken von Jason Lei Howdens Landsmann Peter Jackson (etwa Braindead). Die grotesken Spezialeffekte sind angenehm old school; neben den gängigen Utensilien im Kampf gegen die Untoten kommen auch ein paar ziemlich ungewöhnliche „Werkzeuge“ zum Einsatz. Doch grelle, politisch unkorrekte ZomComs, die sich dem filmischen Zeigespaß anheimgeben, sind inzwischen keine Seltenheit mehr. Howden bietet glücklicherweise aber noch etwas anderes. Seine Coming-of-Age-Story erzählt zum anderen nämlich auch mit viel Empathie von der Bedeutung, die die Lieblingsmusik im Leben eines Heranwachsenden spielt. Wenn er Heavy Metal höre, habe er das Gefühl, jemand verstehe seinen Schmerz und seine Wut, erklärt Brodie Medina seine glühende Begeisterung. An einer Stelle wird sehr gelungen visualisiert, wie die harten Gitarrenklänge den Jugendlichen in eine andere Welt transportieren – weg vom familiären Frust sowie dem Mobbing an der Highschool. Auch das „Erweckungserlebnis“ von Medina – als diese eine von Brodie geliehene CD in ihren Discman einlegt – wird in einer wunderbar kitschig gestalteten Passage umgesetzt, in welcher sich die junge Frau als nordische Göttin auf einem Berggipfel sieht. Medina wird zunächst als leicht naive Love-Interest-Figur in das Geschehen eingeführt, entpuppt sich im Verlauf der Liebesanbahnung aber als überaus aktiv – und zudem als couragierte Kämpferin im apokalyptischen Szenario.

Ehe die Zombies kommen, gibt es eine Einstellung, die schlichtweg großartig ist: Da sitzen Brodie und Medina ungelenk auf einer Bank im Grünen herum, verspeisen ein Erdbeereis und bemühen sich um eine Konversation. Der Girl-Next-Door-Look von Medina und die Heavy-Metal-Montur samt Make-up von Brodie (der gerade ein sagenhaft trashiges Video mit seinen Band-Kollegen gedreht hat) ergeben hier einen schönen Kontrast. Und sollte es jemals eine Ausstellung mit Bildern der zauberhaftesten Filmpaare geben, hätten Milo Cawthorne und Kimberley Crossman als Brodie und Medina einen Platz direkt neben Bud Cort und Ruth Gordon als Harold und Maude auf der Gänseblümchenwiese verdient.

Deathgasm

Nein, dieses Werk mit dem dezenten Titel „Deathgasm“ hat nichts mit Nekrophilie und/oder Pornografie zu tun. Vielmehr handelt es sich um einen Film über (und für) den ewig unverstandenen Außenseiter. Der ist als Figur (sowie als Adressat) natürlich kein Novum; und auch das narrative Muster, das Writer-Director Jason Lei Howden nutzt, ist altbekannt: der vermeintliche Versager darf hier wieder einmal im Angesicht einer Katastrophe zum kühnen Helden heranreifen.
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Meinungen

minusLik · 01.07.2018

[Vorsicht, mögliche Spoiler!]

Was für ein Film, ich ab mich in der ersten Hälfte nicht mehr eingekriegt vor Lachen (mag auch daran liegen, dass er erst mal die gängigsten Metal-Klischees abarbeitet, bevor es zur Sache geht). Gegen Ende kam er mir ein bisschen zu vollgestopft vor; ich hatte das Gefühl, dass die Macher eine Art Checklist abgearbeitet haben, etwa beim Streit, ob die beiden die Noten und die Gitarre holen oder lieber der Stadt beim Niederbrennen zusehen wollen (Ergebnis: ratet mal) oder bei der Rauferei in der Schule mit anschließender Trennung der Protagonisten und auf einmal taucht der Dissident wieder auf dem Schlachtfeld auf und hilft den anderen aus der Patsche (und nennt Brodie seinen Kumpel, obwohl er im Streit noch behauptet hat, er könnte ihn sowieso nicht leiden).