Das verborgene Gesicht

Eine Filmkritik von Lida Bach

Hinter dem Spiegel

Das verborgene Gesicht in Andrés Baiz Suspense-Stilübung ist nicht nur das von Belen (Clara Lago), mit deren Verschwinden die vertrackte Kinogeschichte beginnt. Es ist das versteckte Antlitz des im wahrsten Sinne des Wortes janusköpfigen Thrillers des kolumbianischen Regisseurs, der die durch seinen Vorgängerfilm Satanas geweckten Erwartungen mehr als erfüllt. Das geschickt konstruierte Drehbuch, für das Baiz und Co-Autor Hatem Khraiche eine Story von Arturo Infante und Khraiche adaptierten, enthüllt seine wahre Natur erst im letzten der beiden Handlungskapitel.
„La cara oculta“, so der spanische Originaltitel, könnte man einen Zweiakter nennen. Aufgrund der abrupt umschlagenden Stimmung wäre es aber gerechter, von zwei Filmen zu sprechen. Zu einem ansprechenden Gesamtwerk fassen sie der inszenatorische Rahmen aus gedeckten Farbschattierungen und die in die Erzählung eingewobenen Kompositionen von Tschaikowsky und Rachmaninov zusammen. Die Musikstücke gehören zum Repertoire des Dirigenten Adrian (Quim Gutierrez). Seinem Talent verdankt der junge Spanier seinen neuen Posten an der Philharmonie von Bogota und das kürzlich mit seiner Freundin Belen (Clara Lago) gekaufte Familienhaus. Dort steht Adrian zu Beginn fassungslos und verzweifelt vor einer Videonachricht, in der Belen ihm mitteilt, dass sie ihn verlassen hat. Die Filmbotschaft ist für das Publikum das erste, was es von Belen sieht und das letzte, was er von ihr sieht, für Adrian. Er ertränkt in einer Bar seinen Frust im Alkohol und den Küssen der hübschen Fabiana (Martina Garcia). Die junge Kellnerin bringt den Betrunkenen in dessen neues Zuhause, in das auch sie bald darauf einzieht.

In den verwinkelten Zimmerfluchten scheint die Vorgängerin Fabianas, die seltsame Echos hört und sich nicht allein in dem alten Gebäude glaubt, gespenstisch präsent. Nicht minder beängstigend ist für Fabiana, deren Perspektive die Inszenierung aufnimmt, Belens spurloses Verschwinden. Es lenkt nicht nur den Verdacht der Polizei auf Adrian, sondern weckt den Argwohn seiner nächsten Freundin, die in mehrerer Hinsicht Belens Platz eingenommen hat. Wie konkret dies zutrifft, offenbart die umfassende Rückblende, in der die Geistergeschichte neu erzählt wird – als Überlebensthriller. Biaz geht vor Beginn der gezeigten Ereignisse zurück und zeigt dem Zuschauer beide Seiten einer Medaille — oder eines Spiegels, wie dem in Adrians Schlafzimmer. „Ich mag diesen Spiegel“, sagt Fabiana in einer der Szenen, die zugleich durch Doppelbödigkeit und psychologischen Subtext bestechen. Mit Fabiana betrachtet nicht nur der Zuschauer ihre meist luftig bekleidete Figur, sondern ein weiteres Augenpaar, das hinter dem Glas haust.

„Es ist eine Box in einer Box.“ Die Worte der alten Hausbesitzerin umschreiben zugleich die Wohnräume, die sie Belen zeigt, und Baiz verschlüsselten Thriller. Er ist so trügerisch konstruiert wie das Haus, in dem sich ein Geheimraum verbirgt. Dort liegt die Ursache für die unheimlichen Geräusche, die Fabiana in den Abflussrohren widerhallen hört, und des Gefühls, beobachtet zu werden. Beobachtet wird Adrians neue Geliebte tatsächlich und zwar von der Person, die der mit den Spielregeln des Spukfilms vertraute Zuschauer verdächtigt — Belen. Nicht Fabiana, sondern Belen ist das Opfer; — und zwar ihrer eigenen Eifersucht. Um Adrians flirtenden Blick zu bestrafen, entzieht sie sich diesem Blick in das Versteck, das ihr die Hausbesitzerin zeigt: einen schalldichten Bunker hinter dem Einwegspiegel, von wo aus Belen Adrians Reaktion auf ihre fingierte Nachricht beobachtet. Gerade, als sie seine Pein zerstreuen will, beginnt die ihre.

Unabsichtlich hat sie sich eingeschlossen und muss durch das bruchsichere Glas mitansehen, wie rasch der Platz neu besetzt ist, den sie an Adrians Seite hatte und auf fatale Art immer noch hat. Ihre Rettung sein könnte die Rivalin, die von der Gefangenen mit hilflosem Zorn betrachtet wird. Weit lustvoller als der Blick der unfreiwilligen Voyeurin ist der des Kinozuschauers auf sie.

Das verborgene Gesicht

„Das verborgene Gesicht“ in Andrés Baiz Suspense-Stilübung ist nicht nur das von Belen (Clara Lago), mit deren Verschwinden die vertrackte Kinogeschichte beginnt. Es ist das versteckte Antlitz des im wahrsten Sinne des Wortes janusköpfigen Thrillers des kolumbianischen Regisseurs, der die durch seinen Vorgängerfilm „Satanas“ geweckten Erwartungen mehr als erfüllt.
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Meinungen

Shqiipe · 01.11.2013

Sehr spannend! hmHanmerrr
Empfehllenswert

Annett · 14.09.2012

Spannung pur