Das Schweigen - Arthaus Collection

Eine Filmkritik von Mike Swain

Die Welt ohne Gott

Als Das Schweigen von Ingmar Bergman 1964 in die deutschen Kinos kam, wollten sage und schreibe 11 Millionen Besucher den Film sehen. Waren die sechziger Jahre etwa das Jahrzehnt des Autorenfilms? Heutzutage können schließlich nur noch ein Bully Herbig oder Harry Potter auch nur annähernd von solchen Besucherzahlen träumen. Mitnichten – Das Schweigen war nur deshalb so populär, weil der Film den Sexskandal des Jahres verursachte und die katholische Kirche zum Boykott des Films aufrief – immer ein Garant für einen Kassenschlager. Immerhin enthielt der Film zwei Koitusszenen, wenn auch züchtig verhüllt, und eine Szene, in der eine Frau sich selbst befriedigt. Grund genug für Millionen sich in die Schlange an der Kinokasse einzureihen, immer in der Hoffnung, dass bloß der Nachbar einen nicht sehen würde. Dabei ging es Ingmar Bergman überhaupt nicht darum, einen Skandal zu provozieren. Das Schweigen war lediglich ein weiterer Versuch des Pastorensohns, sich mit seiner eigenen Vergangenheit und seinem Dasein auseinander zu setzen – filmisch meisterhaft umgesetzte Psychoanalyse.
Die Schwestern Ester (Ingrid Thulin) und Anna (Gunnel Lindblom) befinden sich mit Annas Sohn Johan (Jörgen Lindström) auf der Rückreise nach Schweden. Dabei durchqueren sie im Zug ein nicht näher genanntes, düsteres Land. Ester ist schwer krank und ihre Krankheit zwingt das Trio letztlich dazu, die Reise in der Fremde zu unterbrechen, damit Ester sich erholen kann. Sie mieten sich in einem fürstlichen Hotel in einer fremden Stadt ein. Während Ester auf ihrem Zimmer gegen ihre Krankheit ankämpft und das mit allen Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen, zieht es Anna hinaus in die finsteren Gassen der Stadt. Sie streunt durch Kneipen und Spelunken und sucht sich einen Liebhaber. Obwohl sie kein Wort der fremden Sprache versteht, findet sie schnell einen Mann mit dem sie einen One-Night-Stand hat, zunächst in einer Kirche, dann im Hotel vor den Augen ihrer Schwester. Denn Anna weiß, dass Ester sie liebt und das nicht nur schwesterlich.

Das Schweigen ist Bergmans Entwurf einer von Gott verlassenen Menschheit. Ohne Gott gibt es keine Moral, kein Gutes und vor allem keine Achtung vor dem Selbst. Und doch stürzt der Glauben die Menschheit in Gewissenkonflikte. Die Sexualität der Frauen ist kein Zeichen von Promiskuität im herkömmlichen Sinn, sondern Trotz und Widerstand gegen moralische Instanzen und doch gleichzeitig auch ein Zeichen ihrer Selbstverachtung. Bergmans Werk erlaubt vielschichtige Interpretationen und wird vollkommen zurecht als ein Meisterwerk der Filmgeschichte eingestuft.

Das Schweigen - Arthaus Collection

Als Das Schweigen von Ingmar Bergman 1964 in die deutschen Kinos kam, wollten sage und schreibe 11 Millionen Besucher den Film sehen.
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