Das Leben ist ohne Gnade

Eine Filmkritik von Martin Beck

Dynamit für die Fische

Nein, nicht Das Leben kennt keine Gnade, nicht Das Leben kennt kein Erbarmen und auch nicht Die große blaue Straße. Das Leben ist ohne Gnade, so der ursprüngliche deutsche Titel, der auch auf dieser neuen Veröffentlichung zum Einsatz kommt, ist ein Film mit einer bewegten Vergangenheit, die vor allem auf der Mitwirkung von Terence Hill in einer kleinen Nebenrolle beruht. Ole blue eyes war damals schlanke 18 Jahre alt und damit volljährig genug, um in unzähligen Bud Spencer-/Terence Hill-Boxsets der erwartungsfrohen Fangemeinde zum entgeisterten Fraß vorgeworfen zu werden.
Denn natürlich, eine kleine Nebenrolle ist schnell auch wieder vorbei, und mit den klassischen Actionkomödien des dynamischen Kalauer-Duos hat Das Leben ist ohne Gnade überhaupt nichts zu tun. Stattdessen entfaltet sich hier ein klassenkämpferisches Melodram, das dem italienischen Neo-Realismus frönt und von armen Fischern und gierigen Großhändlern handelt. Yves Montand spielt einen dieser Fischer, Squarciò, und auch er hat nicht viel Geld, aber immerhin mehr als viele seiner Kollegen. Der Grund dafür ist, dass er mit Dynamit fischt – was der Küstenwache ein Dorn im Auge ist, allen voran dem neuen Offizier Riva, der fest entschlossen ist, dem Aufbäumen von Squarciò ein Ende zu bereiten.

Auch aus dieser Geschichte hätte Rainer Brandt wahrscheinlich einen launigen Quassel-Eintopf gebraut, doch wie schon geschrieben, Das Leben ist ohne Gnade ist kein typischer Terence-Hill-Film und muss auch mit einer ganz normalen (=klassisch guten) Synchro auskommen. Regisseur Gillo Pontecorvo schwebte anscheinend ein kommerzielleres Remake von Luchino Viscontis Die Erde bebt vor, was zum Beispiel an dem Star in der Hauptrolle oder der in schönen Adria-Bildern schwelgenden Produktion festzumachen ist. Wie aus Postkarten ausgestanzt, sprudeln hier tiefblaue Ferraniacolor-Farben, gleich links schippert ein weißes Segelboot und am Horizont erheben sich alte Festungen. Es könnte eine perfekte Idylle sein, wenn nur nicht auch die Wahrheiten der harschen Realität drängen würden.

Das Schicksal des kleinen Mannes steht im Vordergrund bei Das Leben ist ohne Gnade, die bei Vittorio De Sica so präsenten Kinder sind auch hier wieder anwesend und der ewige Kampf geht sowohl ums nackte Überleben als auch gegen die unsympathische Obrigkeit, die hier so negativ gezeichnet wird, dass selbst ein ausgestreckter Mittelfinger wohlwollende Zustimmung bekommen kann. Als Rahmen kredenzt der Film eskapistische Verführung und im Kern geht es dann zur melodramatischen Sache, allerdings ohne wirklich deprimierend zu werden. Squarciò geht es relativ gut, er ist ein sympathischer Typ und seine ihn liebende Frau (Alida Valli) lässt keinen Zweifel an der rebellischen Attraktivität des Dynamit-Outlaws. Neo-Realismus light, aber vielleicht genau deswegen auch zugänglich und bereit für ein größeres Publikum.

1957 hat das der Film auch tatsächlich gehabt, doch heutzutage denkt man bei Das Leben ist ohne Gnade vor allem an verregnete Sonntagnachmittage und gemächliche Nostalgiehappen. Pontecorvos Debütfilm sitzt ein wenig zwischen den Stühlen und neigt dazu, eher als überraschend bluesiges Mainstream-Drama, denn überraschend hübsch gestaltetes Neo-Realismus-Drama aufgefasst zu werden. Die DVD von Castle View Film bietet eine schmucklose Vollbildfassung ohne Extras, die leider identisch ist mit den bisherigen Veröffentlichungen. Schön ist immerhin, dass diesmal nicht Terence Hill und reisserische Action auf dem Cover zu finden sind, doch für die längere italiensche Fassung muss nach wie vor ein Lichtlein aufgestellt werden.

Das Leben ist ohne Gnade

Nein, nicht „Das Leben kennt keine Gnade“, nicht „Das Leben kennt kein Erbarmen“ und auch nicht „Die große blaue Straße“. „Das Leben ist ohne Gnade“, so der ursprüngliche deutsche Titel, der auch auf dieser neuen Veröffentlichung zum Einsatz kommt, ist ein Film mit einer bewegten Vergangenheit, die vor allem auf der Mitwirkung von Terence Hill in einer kleinen Nebenrolle beruht.
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Meinungen

Andreas · 08.01.2024

Wohltuend ist die ruhige Erzählweise, die einem bisweilen vorkommt wie ein Roman in Bildern. Manchmal hat man sogar den Eindruck, das Rauschen der Adria würde einem aus dem Fernseher heraus durch das Haar wehen. Fest steht: Kein moderner Film fängt den Augenblick so gekonnt ein wie dieser Streifen von 1957. Es sind die stillen, ganz kleinen Momente, die diesen einfachen Film so groß machen.

Am Ende ein tief trauriger Film, der mitten in Herz geht.