Das kurze Leben des José Antonio Gutierrez

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die unglaubliche Geschichte eines (nicht-)amerikanischen Helden

Manche Menschen erlangen posthum traurige Berühmtheit, und zwar ganz einfach deshalb, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind. So lässt sich auch die zumindest zeitweilige Bekanntheit von José Antonio Gutierrez erklären, dessen Bild nach seinem Tod um die Welt ging. Der Grund für das öffentliche Interesse an dem jungen Mann? Gutierrez war der erste Soldat der amerikanischen Truppen, der im zweiten Irak-Feldzug starb, am 21. März 2003, vermutlich getroffen von einer verirrten Kugel aus den eigenen Reihen. Und als wären die Umstände eines derartigen Todes auf dem „Schlachtfeld der Ehre“ nicht schon bizarr genug, enthüllt sich in der Geschichte des amerikanischen Helden eine weitere Facette, die aufhorchen lässt, denn Gutierrez war einer von 32.000 so genannten „Greencard Soldiers“, die in den Reihen der US Army für ein fremdes Land kämpften. Die aus der Schweiz stammende Filmemacherin Heidi Specogna hat in ihrem Film Das kurze Leben des José Antonio Gutierrez den Weg des gefallenen Soldaten verfolgt und stößt dabei auf eine Geschichte, die ebenso bezeichnend wie traurig ist.

José Antonio Gutierrez stammt aus Guatemala, als der Junge drei Jahre alt ist, stirbt seine Mutter, fünf Jahre später sein Vater. José Antonio verlässt die Schule und nimmt Jobs an, um sich und seine Schwester Engracia zu ernähren, denn die beiden Kinder haben niemanden, der sich um sie kümmert. In der Fabrik, in der er arbeitet, lernt er einen Mann kennen, der ihm von den Verheißungen eines Lebens in den USA erzählt, und als sein „Mentor“ sich auf den Weg nach Norden ins gelobte Land der unbegrenzten Möglichkeiten macht, gibt es auch für den Jungen kein Halten mehr. Getrieben von der Hoffnung auf ein besseres Leben verbringt Gutierrez zunächst einige Jahre in Mexiko, bevor er schließlich in Los Angeles landet. Er schläft auf Parkbänken und schlägt sich durch, bis ihn schließlich ein Sozialarbeiter aufgreift und ihn in einer Pflegefamilie unterbringt. Es folgen etliche weitere Stationen, bis Gutierrez im Jahr 2000 bei Nora and Marcelo Mosquera landet, die den Jungen wie ihren eigenen Sohn aufnehmen. Aus Dankbarkeit für das Gute, das ihm letztendlich widerfahren ist, verpflichtet sich Gutierrez bei der Army und absolviert in Camp Pendleton bei den US-Marines, bei denen der Vollwaise eine weitere neue Familie findet, seine militärische Ausbildung – motiviert unter anderem von der Aussicht, durch den Dienst in den Genuss der amerikanischen Staatsbürgerschaft zu gelangen. Ein Wunsch, der sich erst nach seinem viel zu frühen Tod erfüllen sollte.

Heidi Specogna gelingt es mit ihrem Film, ohne falsche Sentimentalitäten eine bewegende Geschichte zu erzählen, die nicht nur die Geschichte von José Antonio Gutierrez ist, sondern die vieler Tausend Flüchtlinge aus Mittel- und Südamerika, die sich auf den Weg in die USA machen, um dort ihr Glück zu finden. Dieses Glück, das verdeutlicht der Film auf eindringliche Weise, hat manchmal einen verdammt hohen Preis.
 

Das kurze Leben des José Antonio Gutierrez

Manche Menschen erlangen posthum traurige Berühmtheit, und zwar ganz einfach deshalb, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind. So lässt sich auch die zumindest zeitweilige Bekanntheit von José Antonio Gutierrez erklären.

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