Das kleine Gespenst (2013)

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Ein Stück Kindheit auf der Leinwand

Das kleine Gespenst ist nur eines von vielen bekannten Kinderbüchern von Otfried Preußler. Doch während andere Werke wie beispielsweise Der Räuber Hotzenplotz oder Krabat schon ihren Weg auf die Leinwand gefunden haben, erfreute Das kleine Gespenst bislang ausschließlich junge Leser und Zuhörer. Doch nun ist es soweit und Regisseur Alain Gsponer bringt die Abenteuer des kleinen Geistes von Burg Eulenstein endlich ins Kino.

Die Geschichte ist den meisten wohlbekannt. Das kleine Gespenst wacht stets des Nachts zur Geisterstunde um zwölf Uhr auf und fällt pünktlich um eins wieder in einen festen Schlaf. Weil es unbedingt einmal das Tageslicht sehen möchte, fragt es seinen engsten Vertrauten, den Uhu Schuhu, um Rat. Der erklärt, jedes Gespenst sei untrennbar mit einer Uhr verbunden. Wenn diese vor- bzw. zurückgestellt würde, könnten hiermit auch die Schlaf- und Wachphasen des Gespensts verschoben werden. Just am folgenden Tag repariert der Uhrmacher Herr Zifferle die Rathausuhr und verstellt diese dabei um 12 Stunden. Als die Glocke das nächste mal zur Mittagsstunde schlägt, erwacht das kleine Gespenst. Doch – oh Schreck – vom Sonnenlicht wird es plötzlich schwarz und leider sorgt seine Anwesenheit in Eulenberg auch eher für Chaos als für Freude. Und den Uhu Schuhu vermisst es auch. Was nun? Nur Schuljunge Karl und seine Freunde können dem kleinen Gespenst jetzt noch helfen.

Im Unterschied zu seinem amerikanischen Spuk-Kollegen Caspar kommt Das kleine Gespenst angenehm figürlich daher. Es handelt sich nicht um einen flüchtigen Nebelkörper, sondern um ein sehr stofflich wirkendes Wesen, das geradezu zum Schmusen einlädt und den kleinen Helden für das Kinderpublikum im wahrsten Sinne des Wortes „greifbar“ macht. Würde es sich um einen Disney-Film handeln, läge sicher schon eine Merchandise-Reihe im Schrank parat, denn die Leinwandversion des kleinen Gespensts schreit förmlich danach, als Handpuppe oder Stofftier wiedergeboren zu werden.

Nun ist Das kleine Gespenst aber kein amerikanischer, sondern ein deutscher Film, der neben den Nachwuchsdarstellern hierzulande bekannte Gesichter wie die von Herbert Knaup, Bettina Stocky und Uwe Ochsenknecht zusammenbringt. Insbesondere letzterer amüsiert Jung und Alt in einer Doppelrolle als affektierter und doch im Grunde zutiefst feiger Bürgermeister und General Torsten Torstenson. Anna Thalbach wiederum leiht dem kleinen Gespenst ihre Stimme, die hier angenehm geschlechtslos wirkt und es uns ermöglicht, das Gespenst sowohl als Held als auch als Heldin zu begreifen.

Die Inszenierung bietet insbesondere dem jungen Publikum Unterhaltung. Die Erwachsenen treten durch die Bank als ahnungslose und tollpatschige Figuren auf. Hier gilt das unpädagogische, aber filmisch gesehen doch leider funktionale Motto „Schadenfreude ist die größte Freude“. Für die erwachsenen Zuschauer gibt es nur gelegentlich Lacher, doch seien wir mal ehrlich: Für viele ist Das kleine Gespenst als Reise in die eigene Kindheit sowieso ein Vergnügen. Schade bleibt, dass der Unterhaltungsfaktor des Films primär aus dem seichten Kinderhumor generiert wird und kaum aus der Dramaturgie der Erzählung. Die Handlung selbst entfaltet nur wenig Spannung.

Am problematischsten ist jedoch die Metamorphose des kleinen Helden. Auch ohne Hang zur political correctness ist die Wertung von den Begriffen „schwarz“ und „weiß“ hier irritierend. Zunächst erscheint das neue Gewand des Gespensts noch als sozialkritischer Kommentar. Die Medien entfachen eine überzeichnete Hexenjagd auf den „schwarzen Unbekannten“, der hier für all das steht, was wir aufgrund seiner Fremdheit vorverurteilen. Wenn eine Redaktion eine Fahrradfahrerin mit Burka (an sich schon ein Widerspruch, aber darüber sei hier mal hinweggesehen) mit dem kleinen Gespenst verwechselt, ist das zugleich lustig und aufgrund des wahren Kerns dieses Gags ebenso traurig. Weniger subtil gestaltet sich eine Szene, in der ein dunkelhäutiger Postbote sich rechtfertigen muss, nicht der „schwarze Unbekannte“ zu sein. Ob Kinder wirklich verstehen, dass es sich hierbei um eine Kritik handelt?

Bis hierhin mag zumindest eine leise kritische Stimme an der Schwarz-Weiß-Kategorisierung hörbar werden. Doch wenn das kleine Gespenst endlich wieder in der Nacht erwacht, seine ursprüngliche Farbe wiedererlangt und mit dem Jubelschrei „Ich bin wieder weiß“ durch die Lüfte düst, dann ist das – bei aller Liebe zu dieser Geschichte – durchaus problematisch. Dann wird Das kleine Gespenst von einer Geschichte über das Anderssein, zu seiner Geschichte über das Weißsein. Das schwarze Gespenst sorgt für Angst, Schrecken und Chaos, erst mit weißem Gewand kann es wieder glücklich werden.

Nun stammt Das kleine Gespenst aus einer Zeit, in der die Begriffe „schwarz“ und „weiß“ noch unbescholten verwendet wurden und in der das Wort „Neger“ vollkommen selbstverständlich in vielen Kinderbüchern stand. Das ist heute anders, aus Otfried Preußlers Büchern wurden derartig umstrittene Begriffe bereits gestrichen. Aber allein das Streichen von Wörtern reicht manchmal nicht aus, um eine Geschichte unseren heutigen Vorstellungen von politischer Korrektheit und sozialer Gerechtigkeit anzupassen. Das kleine Gespenst mag in seinem Kinodebüt außerordentlich knuffig erscheinen, aber es bringt uns leider auch bei, dass „schwarz“ zu sein ganz schön doof ist. Und das wiederum finde ich ganz schön doof.
 

Das kleine Gespenst (2013)

„Das kleine Gespenst“ ist nur eines von vielen bekannten Kinderbüchern von Otfried Preußler. Doch während andere Werke wie beispielsweise „Der Räuber Hotzenplotz“ oder „Krabat“ schon ihren Weg auf die Leinwand gefunden haben, erfreute „Das kleine Gespenst“ bislang ausschließlich junge Leser und Zuhörer. Doch nun ist es soweit und Regisseur Alain Gsponer bringt die Abenteuer des kleinen Geistes von Burg Eulenstein endlich ins Kino.

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