Das Floß!

Eine Filmkritik von Alina Impe

Verschwimmende Rollenbilder

Der Lebensentwurf des Einzelnen erhebt den Anspruch, individuell verschieden sein zu dürfen, zumal sich Zeit und Umstände im Vergleich zu früher deutlich verschoben haben. 30 ist das neue 20, Frauen machen Karriere, Männer nehmen sich Elternzeit. Das Bild der modernen Familie ist von Gleichberechtigung und Flexibilität geprägt und die To-Do-Liste, die es im Laufe des Lebens abzuhaken gilt, verhandelbar. Doch auch wenn sich Reihenfolge und Timing freier bestimmen lassen, bleiben die elementaren Punkte wie Lebensbund und Nachwuchs für die meisten auf der Agenda bestehen. Tradition und Konvention werden noch immer als sinnstiftende Mittel verstanden, die die Richtung vorgeben. Das betrifft nicht nur die heteronormative Mutter-Vater-Kind-Konstellation, sondern zunehmend auch gleichgeschlechtliche Paare. Die klassischen Etappen des Lebens, sie kündigen vom zur Ruhe kommen und von Zufriedenheit.
Auch Katha will nach mehreren Jahren Partnerschaft mit ihrer Freundin Jana endlich Nägel mit Köpfen machen. In wenigen Tagen wird geheiratet, in einigen Monaten soll ein gemeinsames Kind ihre Beziehung komplettieren. Möglich wird dies durch einen Samenspender namens Momo, den Kathas Kumpel Charly ohne Vorwarnung zu ihrem Überraschungs-Junggesellinnenabschied eingeladen hat. Denn Katha hat gar kein Interesse daran, den Mann kennenzulernen, dessen Erbgut ihren Kinderwunsch überhaupt erst möglich macht. Zusammen mit Kathas Bruder und einem befreundeten Arbeitskollegen soll zwei Tage lang auf einem Floß der baldige Ringwechsel begossen und gefeiert werden. Mit viel Alkohol, wenig Privatsphäre und jeder Menge Zündstoff für Konflikte.

Der Kampf der Geschlechter, der Das Floß! allmählich in eine Schieflage manövriert, geht jedoch nicht auf die klischeehafte Präsentation von maskulinen Alphatieren zurück, in deren Vorstellung die lesbische Liebe höchstens in Form einer pornografischen Fantasie Platz findet. Kein Zweifel, die männlichen Nebenfiguren von Julia C. Kaisers schwimmender Bühne sind längst im liberalen Hier und Heute angekommen. Was stattdessen an ihrer geschlechtlichen Selbstwahrnehmung nagt, sind Anschlussfragen nach einer Vaterfigur, für die es in Kathas Welt offenbar keine Verwendung mehr gibt. Die unbedeutend gewordene Rolle des Mannes, reduziert auf ein klebriges Sekret als Mittel zum Zweck, das in einem Plastikbecher mal eben den Besitzer wechselt.

Während Katha dem Rest der Floßbesatzung die verschiedenen Möglichkeiten einer arrangierten Insemination ausführlich erklärt, hat ihre daheimgebliebene Freundin Jana ein ganz anderes Problem. Denn in ihrer eigenen Partyrunde befindet sich ebenso ein Überraschungsgast, mit dem Jana eine bewegte Vergangenheit teilt: Ihre Exfreundin Susan, die kein Geheimnis daraus macht, dass sie mit Jana gern einen zweiten Versuch starten würde. Entsprechend wenig angetan ist Katha, als sie bei einem Telefonat auf dem Chemieklo davon erfährt. In jenem männlich dominierten Mikrokosmos wird das große Geschäft zur persönlichen Krisensitzung, für die alle anderen Beteiligten absolutes Verständnis aufbringen.

Bedauerlich bleibt dabei nur, dass ein solch kleingehaltenes Setting zwar die idealen Bedingungen für figurenpsychologische Tauchgänge bereitstellt, die unmittelbare emotionale Bindung an die Akteure jedoch häufig untergeht. Ein wenig ziellos schippert Das Floß! umher und nimmt erst an Fahrt auf, als der absehbare Showdown schließlich bevorsteht. Improvisation als wichtigster Parameter, wie auch für dieses Langfilmdebüt festgelegt, birgt eben gewisse Risiken. Nichtsdestotrotz überzeugt der Film immerhin durch einen modernen Blickwinkel, in dem männliche Urängste liebevoll aufs Korn genommen werden und gleichgeschlechtliche Partnerschaften kein wie auch immer geartetes Thema, sondern völlig gewöhnlicher Standard sind.

Das Floß!

Der Lebensentwurf des Einzelnen erhebt den Anspruch, individuell verschieden sein zu dürfen, zumal sich Zeit und Umstände im Vergleich zu früher deutlich verschoben haben. 30 ist das neue 20, Frauen machen Karriere, Männer nehmen sich Elternzeit. Das Bild der modernen Familie ist von Gleichberechtigung und Flexibilität geprägt und die To-Do-Liste, die es im Laufe des Lebens abzuhaken gilt, verhandelbar.
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