Das alte finstere Haus

Eine Filmkritik von Peter Osteried

In diesem Haus macht man kein Auge zu

Für Boris Karloff war Das alte finstere Haus im Jahr 1932 der erste Film, in dem er als der Star geführt wurde. Frankenstein kam ein Jahr zuvor, um das wahre Wesen der Kreatur zu verschleiern, wurde Karloff hier aber erst im Nachspann genannt. Noch vor dem Universal-Logo gibt es bei Das alte finstere Haus eine Anmerkung des Produzenten. Hier wird darauf verwiesen, dass der Karloff dieses Films mit dem von Frankenstein identisch ist. Dies erwähnt man, um Spekulationen vorzubeugen und verweist darauf, dass der Part Karloffs Vielseitigkeit illustriert.
In einer verregneten Nacht suchen fünf Menschen in einem alten Haus Zuflucht. Die Straßen sind nicht mehr passierbar, weswegen die Femms Obdach gewähren. Allerdings steht den Besuchern eine Nacht des Grauens bevor, denn Horace und Rebecca sind wahrlich merkwürdig. Er traut sich nicht ins Oberstockwerk des Hauses, sie verschwindet immer wieder. Doch beide sind noch die normalsten Bewohner dieses Hauses.

Lange Zeit galt der Film als verschollen, weil er im Zuge des britischen Remakes von Hammer im Jahr 1963 aus der Zirkulation genommen worden ist. Erst zum Ende des Jahrzehnts entdeckte Curtis Harrington ein Negativ, von dem sich neue Kopien ziehen ließen. Ohne ihn wäre dieser Film vielleicht für immer verschollen. Erfreulicherweise ist dies nicht der Fall, ist Das alte finstere Haus doch neben Frankensteins Braut James Whales famosester Film, der auch mehr als 80 Jahre nach seiner Entstehung nichts von seinem morbiden Charme eingebüßt hat.

Whales Film nutzt eine erstaunlich simple Geschichte, lädt diese aber mit Bedeutung auf. Er weist eine gediegene, gotische Atmosphäre auf, verfügt jedoch auch über makaberen Humor, der die Zeit gut überdauert hat. Sogar das melodramatische Spiel, das gerade den frühen Horrorfilmen von Universal inne ist, fehlt hier weitestgehend. Stattdessen gibt es einen Reigen des Wahnsinns, der immer irrlichternder gerät. Mit jeder verstreichenden Minute mutet das Anwesen der Femms mehr und mehr wie ein Irrenhaus an. Da sich die Figuren so unerwartet verhalten, wird die Spannung konstant hoch gehalten. Man rechnet buchstäblich damit, dass jede Minute die Stimmung umschlägt und greifbare Gefahr für die Protagonisten heraufbeschworen wird. Und das geschieht auch, in einer Sequenz, in der Brember Wills als fahriger Saul den Irrsinn in seinen Augen aufblitzen lässt.

Zugleich ist man nie sicher, wer von den Hausbewohnern der eigentliche Wahnhafte ist. Jeder behauptet es von den anderen, aber sie alle befinden sich letzten Endes weit jenseits jeglicher Normalität, sind – wenn man so will – ein Prototyp der Saw-Family, 40 Jahre, bevor Tobe Hooper sein Blutgericht in Texas veranstaltete. Dabei setzt Whale natürlich in erster Linie auf stimmungsvolles Ambiente. Er hat einen erwachsenen, reifen Gruselfilm erschaffen, der so ungewöhnlich endet, wie er beginnt – wie ein Albtraum, den man mit dem ersten Licht des Tages hinter sich lässt.

Einiges an Das alte finstere Haus ist bemerkenswert. Mit James Whale und Boris Karloff sind die Frankenstein-Veteranen am Werk, die drei Jahre später Frankensteins Braut verwirklichen sollten. Mit Ernest Thesiger, der dort Dr. Pretorius ist und hier als feiger Horace brilliert. Für Gloria Stuart, die eine der Besucherinnen des Hauses spielt, war dies einer ihrer ersten Filme. Einem weltweiten Publikum wurde sie 1996 bekannt, als sie in James Camerons Titanic die alte Rose spielte. Die britische Schauspielerin Elspeth Dudgeon, damals bereits über 60 Jahre alt und auf der Bühne recht erfolgreich, gab hier ihr Filmdebüt – in der Rolle eines Mannes. Sie spielt den alten, gebrechlichen Sir Roderick Femm, und das inkognito, wird sie im Abspann doch als John Dudgeon geführt. Ihre Darstellung trägt zur surrealen Stimmung des Films bei. Jahre später war auch sie in Frankensteins Braut zu sehen.

Das alte finstere Haus ist zu Unrecht etwas in Vergessenheit geraten. Er ist nicht nur einer der bemerkenswertesten Filme des Universal-Horror-Zirkels der Jahre 1931 bis 1948, sondern ein nach wie vor extrem atmosphärisches Stück Film, das mit exzellenter Besetzung und erlesener Schwarzweißoptik aufwarten kann.

Das alte finstere Haus

Für Boris Karloff war „Das alte finstere Haus“ im Jahr 1932 der erste Film, in dem er als der Star geführt wurde. „Frankenstein“ kam ein Jahr zuvor, um das wahre Wesen der Kreatur zu verschleiern, wurde Karloff hier aber erst im Nachspann genannt. Noch vor dem Universal-Logo gibt es bei „Das alte finstere Haus“ eine Anmerkung des Produzenten.
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