Cub

Eine Filmkritik von Falk Straub

Moonrise Kingdom of the Dead

Wer eine Vorliebe für das Stellen von möglichst kreativen und brutalen Fallen im Film hat, der ist bei Jonas Govaerts Spielfilmdebüt Cub (OT: Welp) sicherlich richtig aufgehoben. Immer wieder setzt die Handlung für einen Moment aus, um sich und die Protagonisten in einer erwartungsvollen und fatalen Warteposition im Angesicht hochkomplexer und sicherlich tödlicher Vorrichtungen wiederzufinden. Man muss diese makabere und sicherlich nicht über die Genregrenzen hinausgehend reflektierte Lust am Töten teilen, um Gefallen an den durchaus ansprechenden Spielereien des flämischen Regisseurs zu finden.
Erzählt wird eine klassische Campingausflug-Horrorgeschichte, die bis zur Spitze mit psychologischen Motiven aufgeladen ist. Der junge Pfadfinder Sam ist der absolute Außenseiter seiner Gruppe. Er kommt gleich zu Beginn zu spät und gilt als Freak. Daher wird er nicht nur von seinen Kollegen gemobbt sondern sogar von den Anführern der Gruppe, die sich selbst als maximal post-pubertäre und überforderte Autoritäten offenbaren. Die Gruppe fährt gemeinsam in ein Zeltlager in einen Wald und um das Ganze ein wenig aufzupeppen, erzählen die Anführer von einem werwolfartigen Wesen namens Kai, das den Wald unsicher macht. Als Zuseher weiß man natürlich nicht zuletzt aufgrund der obligatorischen ersten Schockerszene, dass daran mehr dran ist, als die Pfadfinder ahnen, auch wenn sich das Böse im Film letztlich als deutlich ambivalenter und in mancher Hinsicht auch origineller erweist, als man zunächst vermutet.

Der psychologische Touch von Cub, der Anleihen an Filmemachern wie Steven Spielberg und vor allem Guillermo del Toro nimmt, liegt in der Mischung aus Kinderfantasien und einer düsteren Konsequenz. Für Sam erweist sich das Monster Kai bald als Spiegel, die Faszination vor dem eigenen Albtraum ist zugleich ein Rückzugsort, ein heimlicher Eskapismus wie man das beispielsweise aus Pans Labyrinth kennt. Der Junge findet sich im Monster wieder und die Grenzen zwischen Fantasie und Wirklichkeit verschwimmen. Jedoch fehlt es dem Film letztlich an Tiefe in der Charakterzeichnung und an jener allegorischen Ernsthaftigkeit, die den Horror anderer Filme so rechtfertigen. Insbesondere in den Kinderfiguren wäre mehr Potenzial gelegen. So agieren letztlich nur Stereotypen, an denen der Film oberflächlich Fragen von Machtmissbrauch und Eifersucht exerziert.

Aus diesem Grund muss sich Govaerts dann eben doch an seinen Genreelementen alleine messen lassen und dort passiert trotz der Hochglanz-Kameraarbeit von Hollywoodkameramann Nicolas Karakatsanis (The Drop, Bullhead) kaum genug, um den großen Einfallsreichtum bezüglich Set-Design und Setting auch immer in visuellen Reichtum zu übersetzen. Alles sieht gut aus, keine Frage, aber kaum eine Kameraeinstellung oder ein Schnitt spielen wirklich elaboriert mit so basalen Aspekten wie dem Off-Screen oder dem Point-of-View, dass man von einer handwerklich gelungenen Arbeit sprechen könnte. Körperlich näher geht einem da schon die bereits erwähnte Konsequenz, die vor keinem Mord halt macht und in der das Böse durchaus jene übergroße Faszination einnimmt, die man aus den Ängsten seiner Kindheit kennt.

Cub ist immer dann am besten, wenn er dieses Lagerfeuergefühl zwischen Verstecken, Illusionen und ausgefeilten Plänen zum Leben erweckt. Allerdings ist er zu bemüht damit, diese Elemente für nicht immer funktionierende Schockeffekte zu verwenden, statt sich in einen tatsächlichen Kinderalbtraum zu begeben oder diesen endgültig zu brechen.
(Patrick Holzapfel)
____________________________________________

„Macht eine Gruppe belgischer Kinder einen Ausflug …“ Was wie ein makabrer Witz beginnt, endet als ausgesprochen stilsicherer Horror. Regisseur Jonas Govaerts zeigt mit Cub, dass das Grauen auch in europäischen Wäldern lauert.

Chris (Titus de Voogdt), Peter (Stef Aerts) und Jasmijn (Evelien Bosmans) haben ein Zeltlager organisiert. Gemeinsam mit einem Rudel Wölflinge, der jüngsten Altersstufe bei den Pfadfindern, tuckern die drei Leiter von Antwerpen in den wallonischen Süden. Die Wölflinge, die in Belgien Welpen heißen, schlagen ihr Lager allerdings nicht ganz freiwillig unter Bäumen auf. Zwei besoffene Proleten in Trainingsanzügen drehen mit einem Kart auf dem offiziellen Zeltplatz ihre Runden. Doch der Wald ist nah, ruhig und umsonst.

Wer schon einmal bei einem Zeltlager mit von der Partie war, wird am Detailreichtum seine Freude haben. Vom Ausheben der Freiluftlatrine bis zum obligatorischen Klau und der Rückeroberung der Flagge ist in Cub alles dabei. Natürlich darf auch eine Gruselgeschichte nicht fehlen. Um den Nachwuchsfährtenlesern Angst einzujagen, erzählen ihre Leiter ihnen vom kleinen Kai, der die Wälder der Gegend als Werwolf unsicher macht. Ein harmloser Spaß, der schlagartig Ernst wird, als der traumatisierte Außenseiter Sam (Maurice Luijten) abseits der Gruppe auf einen verwahrlosten Jungen trifft. Von oben bis unten mit Schlamm besudelt, eine Maske aus Baumrinde auf dem Gesicht und vor sich hin knurrend könnte die seltsame Gestalt tatsächlich direkt der Geschichte entsprungen sein.

Spätestens jetzt schwant dem Horrorfilmfan Böses. Bevölkerte der meuchelnde Hillbilly bisher vornehmlich amerikanische Wälder, ist er nun auch in Belgien angekommen. Regisseur Jonas Govaerts nutzt das Klischee vom reichen flämischen Norden und dem verarmten wallonischen Süden als Ausgangslage. Der junge Kai ist nicht der Einzige, der die Wälder unsicher macht. In Cub lauert der Horror zu gleichen Teilen tief unter der Erde und hoch oben in den Baumwipfeln.

Mit Cub ist Govaerts ein ambitioniertes Kinodebüt gelungen. Das kleine Genrestück beeindruckt durch sein stimmiges Setdesign und durch die schrägen Ideen, mit der die Pfadfinder dezimiert werden. Überall im Wald sind Fallen verteilt. Die ausgeklügelten Konstruktionen bringen den Zuschauer immer wieder zum Schmunzeln. Kameramann Nicolas Karakatsanis, der schon Filme wie Bullhead (2011) oder The Drop – Bargeld (2014) atmosphärisch dicht in Szene setzte, lässt erdige Braun- und moosige Grüntöne dominieren.

Mit Sam im Mittelpunkt erzählt Cub auch die Geschichte eines verlorenen Kindes. Ein Verstoßener auf der Suche nach Halt, Orientierung und einem Elternersatz. Freud lässt grüßen. Am Ende muss sich Sam zwischen einem neuen Vater oder einer neuen Mutter entscheiden. Er trifft eine Wahl, mit der der Zuschauer nicht unbedingt rechnet. Das schafft zwar noch einmal ein Aha-Erlebnis, wirkt in seiner Radikalität letztlich aber zu konstruiert.

Cub

Wer eine Vorliebe für das Stellen von möglichst kreativen und brutalen Fallen im Film hat, der ist bei Jonas Govaerts Spielfilmdebüt „Cub“ (OT: „Welp“) sicherlich richtig aufgehoben. Immer wieder setzt die Handlung für einen Moment aus, um sich und die Protagonisten in einer erwartungsvollen und fatalen Warteposition im Angesicht hochkomplexer und sicherlich tödlicher Vorrichtungen wiederzufinden.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen