Contagion (2011)

Eine Filmkritik von Patrick Wellinski

Die Bürokratie einer Epidemie

Steven Soderbergh hatte die Idee, den skandalösen und undurchsichtigen Vorgang des Krisenmanagements während der Schweinegrippe-Welle 2009 in einen Film zu packen, der nochmal das ganze Chaos vergegenwärtigen sollte. Das Produkt dieses Einfalls ist Contagion, ein Episodenfilm mit Starbesetzung, der sehr stark an Soderberghs Traffic erinnert.

Als die Amerikanerin Beth Emhoff (Gwyneth Paltrow) nach einem Hong Kong-Besuch an einer Grippe erkrankt und kurz darauf verstirbt, häufen sich zeitgleich über die ganze Welt verteilt, tödliche Fälle eines grippeähnlichen Virus. Die Behörden sind überfordert und suchen krampfhaft nach dem Patient Null, um dann möglichst schnell ein Gegenmittel herzustellen und eine weltweite Massenpanik zu verhindern.

Die Suche nach den Ursachen des Virus, das Geheimhalten des Falles und die vielen Niederlagen die die Virologen, Politiker, Militärs und Infizierten durchleben, verfolgt Contagion sehr ruhig und zurückhaltend. Für einen Katastrophen-Film, umgeht er jeglichen spannungsgeladenen Ausbruch auf der audiovisuellen Ebene. Kein wummernder Soundtrack, keine wilde Schnittfolge durchbrechen den beobachtenden Gestus der Kamera. Das ist auch gut so, denn es passiert sehr viel. Laurence Fishburne schickt Kate Winslet auf die Suche nach dem Krankheitserreger durch ganz Amerika. Marion Cotillard wird als WHO-Mitarbeiterin von Chinesen entführt und erpresst. Jude Law als investigativer Blogger und Julian-Assange-Verschnitt macht der Pharmaindustrie Vorwürfe, die Katastrophe nur zu inszenieren. Und Matt Damon als dicker arbeitsloser Familienvater versucht über den Verlust seiner Frau hinweg zu kommen, die das ganze Schlamassel eventuell ausgelöst haben könnte.

Die größte Schwäche an Steven Soderbergs Inszenierung ist, dass seine Idee sich trotz der vielen Figuren nach einer halben Stunde abnutzt. Die ganze Erzählung, das ganze Projekt, stagnieren. Man könnte Contagion vielleicht noch als einigermaßen akzeptablen Unterhaltungsfilm begutachten wollen. Aber warum sollte man ihm so weit entgegenkommen, wenn Soderbergh selber das Interesse an den Figuren verliert. Er lässt sie auftreten, abtreten und wieder auftreten. Es werden platte Anklagen gegen das Katastrophenmanagement erhoben und sonst verläuft jegliche Inspiration im Sande. Am Ende entgleitet Soderbergh noch seine ruhige und unaufgeregte Erzählhaltung und er muss dann doch noch einige Momente der Massenpanik inszenieren.

Es ist wirklich sehr schade, dass der Film nicht viel zu sagen hat über die Gefahren einer mangelnden globalen Krisenbewältigung. Da bleibt die Szene, in der Gwyneth Paltrow der Schädel während der Autopsie aufgeschnitten und anschließend über die Augen gestülpt wird, der einzige wirklich überraschende Moment des Films.

(Festivalkritik Venedig 2011 von Patrick Wellinski)

Contagion (2011)

Steven Soderbergh hatte die Idee, den skandalösen und undurchsichtigen Vorgang des Krisenmanagements während der Schweinegrippe-Welle 2009 in einen Film zu packen, der nochmal das ganze Chaos vergegenwärtigen sollte. Das Produkt dieses Einfalls ist „Contagion“, ein Episodenfilm mit Starbesetzung, der sehr stark an Soderberghs „Traffic“ erinnert.

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