Comedown

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Vom Drogenrausch in die Mörderhölle

In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass sich das Kino immer wieder gerne die Hochhauswucherungen des sozialen Wohnungsbaus als Schauplatz für Horrorszenarien aussucht. Während in den 1970ern gelegentlich noch die sozialen Utopien der abgeschlossenen Gesellschaft für Reiche die Grundlage des Schreckens waren – etwa in David Cronenbergs Parasiten-Mörder (Shivers), wo das Hochhaus als „gated community“ ganz autark für sich sein sollte und gerade deshalb die perfekte Brutstätte des Schreckens war, ist von solchen Hoffnungen nichts mehr übrig. Die Realität, dass die rechteckigen Betonsünden immer nur dunkle Verwahrbauten für die Schwächsten der Gesellschaft waren, ist da schon längst Allgemeinwissen, und nun stehen die Häuser entweder leer oder sind sich selbst überlassen.
Die dunklen, engen Korridore, schlecht beleuchteten Aufzüge und immergleichen Wohneinheiten werden deshalb im Kino nun zu Schauplätzen des unmittelbaren, ganz physischen Überlebenskampfs, in dem diejenigen, die ganz unten sind, sich gegen die Monstren behaupten müssen, die aus der Unterwelt hervorkriechen. Im indonesischen Actionstreifen The Raid müssen sich Polizisten durch ein von Kriminellen besetztes Hochhaus kämpfen (so wie es demnächst auch mit etwas anderen Vorzeichen im US-amerikanischen Mainstreamkino in Dredd 3D zu sehen sein wird), und im französischen Zombiefilm Die Horde sehen sich die Polizisten nicht nur mit Gangstern, sondern auch gleich noch mit Untoten konfrontiert.

In Comedown brechen sechs Freunde aus einem Londoner Problembezirk in das mittlerweile leerstehende Hochhaus ein, in dem sie als Kinder gelebt hatten: Da kennen sie eigentlich jede Ecke und fühlen sich wie zuhause, auch wenn in der Dunkelheit der fensterlosen Gänge manches ein wenig unheimlich wirken mag. Seltsam vielleicht nur, dass der Aufzug in dem heruntergekommenen Gebäude noch funktioniert und dass der Wachdienst so gar nicht seinen Dienst tut. Aber Lloyd (Jacob Anderson), gerade frisch aus dem Gefängnis und nicht interessiert daran, wieder dorthin zurückzukehren, seine Freundin Jemma (Sophie Stuckey) und die anderen wollen eigentlich nur im obersten Stockwerk eine Antenne für den Piratensender eines Freundes anbringen und ein bisschen feiern, bis die Sendung vorbei ist.

Dann aber verschwindet Jemma und das Mitglied einer örtlichen Straßengang liegt auf einmal tot im Flur – irgendjemand ist noch mit im Hochhaus, mit im Stockwerk, verschließt langsam die Türen und ist nicht freundlich gesinnt. Lloyd sucht verzweifelt nach seiner schwangeren Liebsten, aber das Bier und die Drogen, die zur Feier dazugehörten, sind dabei nicht eben besonders hilfreich.

Regisseur Menhaj Huda, der in Comedown in ein ähnliches soziales Umfeld zurückkehrt, wie er es schon vor einigen Jahren in Kidulthood gezeigt hatte, nutzt die Möglichkeiten des Settings bis ins Letzte aus: enge Treppenhäuser, Fahrstühle und Schächte, dunkle Gänge: Hier kann überall der Schrecken lauern, und das tut er dann natürlich auch. Der Wohnblock, dieses finstere Loch, dient den Protagonisten dennoch als Identifikationspunkt, als Zuhause, das man kennt wie niemand sonst – das fand sich auch schon in der Science-Fiction-Komödie Attack the Block wieder, nur dass dort der Feind, gegen den man sich verbündete, von außen kam. Hier kommt er von innen, aus dem Haus selbst, und deshalb kann die Konfrontation eigentlich kein gutes Ende finden.

Die Schwierigkeit mit Comedown ist nun, dass die handwerklich gekonnte Umsetzung und das geschickt genutzte Setting leider nicht genügen, um wirklich die Spannung und den Schrecken zu erzeugen, die Huda offenbar erreichen will: Dafür bleiben alle Figuren leider zu blass, zu sehr auf ihre Typologien reduziert, und selbst der Antagonist, so kaltblütig er auch agieren mag, bekommt niemals wirkliche Konturen. Was bleibt ist der Beweis, dass sich ein Slasher auch in ein Denkmal sozialer Kälte versetzen lässt, ohne seine wesentlichen Eigenschaften und Thrills zu verlieren; aber für richtig großes Kino braucht es dann doch noch ein bisschen mehr.

Comedown

In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass sich das Kino immer wieder gerne die Hochhauswucherungen des sozialen Wohnungsbaus als Schauplatz für Horrorszenarien aussucht. Während in den 1970ern gelegentlich noch die sozialen Utopien der abgeschlossenen Gesellschaft für Reiche die Grundlage des Schreckens waren – etwa in David Cronenbergs Parasiten-Mörder („Shivers“), wo das Hochhaus als „gated community“ ganz autark für sich sein sollte und gerade deshalb die perfekte Brutstätte des Schreckens war, ist von solchen Hoffnungen nichts mehr übrig.
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