Cold Blood - Kein Ausweg, keine Gnade

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Unterkühlter Besuch in Amerika

Einmal im Jahr zieht es US-Bürger magnetisch zurück zu den Keimzellen ihrer Gesellschaft. Wenn das Land Thanksgiving feiert, steigen von der Ost- bis zur Westküste Singles, Businessmänner und sonstige erwachsene Kinder ins Flugzeug, um ein Wochenende lang die Füße wieder unter den elterlichen Tisch zu stellen. Die Familienzusammenkunft ist wegen ihres emotionalen Gewichts anfällig für Störungen, von außen wie von innen. Der österreichische Regisseur Stefan Ruzowitzky, dessen Film Die Fälscher 2008 den Oscar bekam, wählt diesen landestypischen Hintergrund für sein amerikanisches Debüt. Darin lässt er ein mörderisches Pärchen eine Schneise der Gewalt durch die ländliche Weite Michigans schlagen.
Addison (Eric Bana) und seine Schwester Liza (Olivia Wilde) haben ein Casino ausgeraubt und befinden sich auf der Flucht nach Kanada, als sie auf verschneiter Landstraße mit dem Auto verunglücken. Addison erschießt den Polizisten, der das Wrack findet. Die Geschwister trennen sich: Addison will zu Fuß in Richtung Grenze weitergehen, Liza lässt sich von dem jungen Jay (Charlie Hunnam) im Auto mitnehmen. Er will über Thanksgiving heim zu den Eltern. Liza gibt Addison deren Adresse am Handy durch, in der Hoffnung, ihn dort wiederzutreffen.

Jay und Liza verbringen wegen des Schneesturms unterwegs eine Nacht in einem Motel und kommen sich nicht nur körperlich näher. Jay erzählt ihr von seiner Zeit im Gefängnis, seinen Erfolgen als Boxer und dem Zerwürfnis mit seinem Vater Chet (Kris Kristofferson). Am Anfang des Films sah man den gerade aus der Haft Entlassenen, wie er seinen früheren Trainer, der ihn austricksen wollte, niederschlug. Nun muss Jay befürchten, dass er wieder in den Knast soll. Während sein Vater mit gemischten Gefühlen auf seinen Besuch wartet, stürzt sich Mutter June (Sissy Spacek) voller Freude in die Festtagsvorbereitungen.

Addison hinterlässt auf dem Weg zu Jays Elternhaus eine blutige Spur. Dort übernimmt er am gedeckten Familientisch die Regie und zwingt die Anwesenden zu traditionellen Danksagungen, um sie zynisch vorzuführen. Die Menschen neigen eben dazu, die Atmosphäre ihrer Kindheit wieder heraufzubeschwören. Addison sucht reflexhaft nach Personen, an denen er sich für sein Kindheitstrauma rächen kann. Der Film deutet eine inzestuöse Beziehung der Geschwister an und einen brutalen Vater, der einst wahrscheinlich die kleine Tochter missbrauchte.

Im Vergleich zu diesen innerlich lädierten Geschwistern ist Jays Familie ein Hort des Glücks und nicht zufällig die einzige im Film, bei der der Festtagsbraten auf den Tisch kommt. Ruzowitzkys Blick aber bewahrt sich die Distanz eines Fremden. Wenn er die Beziehung des Sheriffs (Treat Williams) zu seiner Tochter und Stellvertreterin Hanna (Kate Mara) inspiziert, erlaubt er sich gar eine gewisse Respektlosigkeit vor amerikanischen Heldenfiguren. Der harte Kerl, der für Recht und Ordnung sorgt, offenbart ein schockierendes Maß an Frauenverachtung. Der Film schafft es ganz gewitzt, diesem Macho die Orden von der Brust zu reißen und sie seiner unscheinbaren Tochter anzuheften.

Im Übrigen aber ist das Debüt des Drehbuchautors Zach Dean reichlich banal, was auch die reißerische Inszenierung auf Dauer nicht kaschieren kann. Die Actionszenen werden zwar mit wackeliger Kamera und rasanten Schnitten zum wuchtigen Chaos aufgebauscht. Dennoch bleibt es oft hauptsächlich den kühlen rhythmischen Klängen überlassen, den Thriller mit einer unheimlichen Stimmung zu versorgen. Die Figurenzeichnung leidet unter abrupten Szenenwechseln und possenhaften Zuspitzungen. Während der narrative Blinkwinkel schwankt und mit den Charakteren spielt, anstatt sie verlässlich zu formen, legt sich ein Gefühl der Erstarrung über die Geschichte. Und das liegt nicht nur an dem Wintereinbruch dort draußen.

Cold Blood - Kein Ausweg, keine Gnade

Einmal im Jahr zieht es US-Bürger magnetisch zurück zu den Keimzellen ihrer Gesellschaft. Wenn das Land Thanksgiving feiert, steigen von der Ost- bis zur Westküste Singles, Businessmänner und sonstige erwachsene Kinder ins Flugzeug, um ein Wochenende lang die Füße wieder unter den elterlichen Tisch zu stellen. Die Familienzusammenkunft ist wegen ihres emotionalen Gewichts anfällig für Störungen, von außen wie von innen.
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