Claire's Camera

Neue Zwischentöne in Hongs Kosmos

„Ich war noch niemals in Cannes“, bekennt Isabelle Huppert. Natürlich spricht nicht die Schauspielerin diese Worte aus, sondern die Figur, die sie in diesem gerade mal 69 Minuten langen Spielfilm spielt: Sie ist Claire, eine Lehrerin, die eher zufällig während des Festivals an der Côte d’Azur weilt. Vor einiger Zeit hat sie ihren Lebensgefährten verloren, nun sucht sie Ablenkung.

Und da trifft es sich gut, dass sie eine Freundin hat, deren Film in Cannes gezeigt wird. Also streift Claire mit ihrer Sofortbildkamera durch die Stadt und spielt dabei unfreiwillig Schicksal, denn ihre Wege kreuzen sich mit dem Regisseur So und dessen gerade gefeuerter Angestellten Manhee, die eine Affäre mit dem Trunkenbold hatte. Das wiederum hatte Sos Produzentin missfallen, die mit dem Filmemacher liiert war. Aber da Claire ihre Bilder, die sie bei all ihren Begegnungen macht, überaus bereitwillig herumzeigt, erkennen der Regisseur und seine frühere Angestellte einander und sind so durch ein unsichtbares Band weiter verbunden.

Warum sie ständig Bilder mache, wird Claire bei einer ihrer Begegnungen gefragt. Weil sich durch sie alles verändere und weil eine Person, nachdem sie fotografiert worden sei, danach nicht mehr dieselbe wäre, antwortet sie. Und tatsächlich scheint sich durch ihr unbeabsichtigtes Intervenieren der eigentlich vorgezeichnete Ablauf des Endes einer Beziehung zu verändern: Die Geschasste gewinnt Selbstvertrauen, statt durch die Entlassung in eine Depression zu gleiten, während So, anstatt erleichtert zu sein, ins Grübeln über sein Leben kommt.

Wie so häufig bei Hong Sang-soo kommt auch sein neuer Film so spielerisch und leicht daher, dass man bei aller Freude darüber allzu leicht vergisst, dass das vermeintlich Leichte oftmals das Schwerste überhaupt ist; unzählige missratene Komödien sind Mahnmale für diese (Binsen)Wahrheit. Das Schöne an Hongs Filmen ist aber nicht nur der unnachahmlich federleichte Ton der Erzählung: Statt gegenüber seinen Personen zynisch zu sein, liebt er sie alle spürbar, trotz oder gerade wegen ihrer Fehler. Und er tut dies auch deshalb, weil sie allesamt direkt aus seinem unmittelbaren realen Umfeld entstammen: Immer wieder geht es ums Filmemachen, um Liebeleien mit mal mehr, mal weniger gutem Ausgang und nicht selten komplizierten Verstrickungen, bei denen sich die Menschen meistens selbst im Wege stehen.

Dies alles ist mittlerweile so sehr etabliert, so sehr zur unverwechselbaren Handschrift geworden, dass Hong Gefahr laufen könnte, mit der Zeit beliebig zu werden, weil alle seine Geschichten und seine gesamte Art des Filmemachens mit den statischen Zooms und der unbewegten Kamera so typisch geworden sind, dass sich mit der Zeit Langeweile einstellt. Dem entgeht Hong in Claire’s Camera durch gleich zwei wirkungsvolle Maßnahmen: Zum einen durch die wundervolle Isabelle Huppert, die dem Kosmos Hongs neue Zwischentöne hinzufügt. Und zum anderen durch den zusätzlichen Boden der Ansiedlung seines Stoffes in Cannes während des Filmfestivals, dessen vielen kleinen und großen Dramen hinter den Kulissen der Koreaner hier eine augenzwinkernde kleine Hommage schenkt.

Und schließlich verbirgt sich das Bedeutsame wie stets bei Hong in kleinen Details und Aussagen, die so beiläufig geschehen, dass man sie vor lauter schmunzeln und lächeln beinahe übersieht: Denn neben einem Essay über die Macht des Schicksals ist Claire’s Camera auch ein Versuch über die Macht der Bilder. Um darüber nachzudenken, ist Cannes – zumal während des Festivals – nun wirklich der passende Ort.

Claire's Camera

„Ich war noch niemals in Cannes“, bekennt Isabelle Huppert. Natürlich spricht nicht die Schauspielerin diese Worte aus, sondern die Figur, die sie in diesem gerade mal 69 Minuten langen Spielfilm spielt: Sie ist Claire, eine Lehrerin, die eher zufällig während des Festivals an der Côte d’Azur weilt. Vor einiger Zeit hat sie ihren Lebensgefährten verloren, nun sucht sie Ablenkung.

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