Charlies Welt

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Wes Anderson würde sich im Grab umdrehen, wäre er schon tot

Und hier hätten wir den ersten Anwärter und sicheren Gewinner für den wahrscheinlich schlimmsten Film des Jahres 2013: Charlies Welt. Man sieht ja selten Werke, die so konsequent schrecklich sind wie Roman Coppolas Versuch dem öffentlichen Zerfall von Charlie Sheen etwas Lustiges abzugewinnen, vor allem wenn Sheen selbst gern mitmacht. Doch das einzig Großartige an diesem Werk ist die Arbeit des eklektischen Setdesigners, der sich sehr gefreut haben muss, dass er einfach alles herauskramen darf, was in seinem Besitz ist und so halbwegs zu „lustig-bunter Film in den 70er Jahren“ passt. Doch zurück auf Anfang:
Charlie Sheen spielt Charles Swan III, ein Werbemogul und Sunnyboy, der zwischen immer neuen Model-Freundinnen und massiven Tagträumen so vor sich hinlebt, bis ihn seine letzte Freundin Hals über Kopf verlässt und er in die Mutter aller Midlife-Krisen stürzt. Denn wie wir aus allen Klatschspalten und von Twitter wissen, wenn Charlie Sheen/Charles Swan eines kann, dann das: auf ganz hohem und unglaublich schmierigem Niveau leiden. In seiner Krise vergisst er Familie, Job und alle Verpflichtungen, was dazu führt, dass er alsbald pleite geht und zudem noch von der Polizei gesucht wird. In den Nebenrollen ist der Film mit sonst eigentlich herausragenden Darstellern wie Bill Murray, Jason Schwartzman, Aubrey Plaza und Patricia Arquette bestückt, doch keiner von ihnen hat auch nur den geringsten Raum, hier etwas von seiner/ihrer Brillanz zu zeigen. Und so stellen sich vor allem zwei Fragen: Zum einen jene, wie viel man ihnen für diesen Film geboten hat und zum anderen — nicht ganz unberechtigt -, ob sie bei den Dreharbeiten schon wussten, dass das ganz übel enden wird?

Manchmal helfen auch keine großen Namen — noch nicht einmal „Coppola“. Die Geschichte ist in ihrer Anlage schon eher dünn. Hinzu kommt, dass die Story vor Klischees und Misogynie nur so trieft, was umso mehr auffällt, weil sonst kaum etwas passiert. Roman Coppola versucht sich hier an einer absurden Komödie á la Wes Andersons (Moonrise Kingdom) und scheitert in allen Belangen. Denn solch surreale Gebilde sind nur witzig, wenn der Humor etwas grundlegend Menschliches und Liebevolles hat. Es braucht Figuren wie Captain Sharp (Bruce Willis) und Mr. Bishop (Bill Murray) in Moonrise Kingdom oder gar den unvergesslichen Steve Zissou (Bill Murray) in Die Tiefseetaucher.

Auch wenn die Verpflichtung Murrays hier eine zusätzliche Erinnerung an Andersons Filme mit sich bringt (was durchaus im Sinne des Regisseurs sein dürfte), haben wir es eben mit Charlie Sheen zu tun, der einen Charakter spielt, welcher im Grundsatz hochgradig misantrophisch und zynisch daherkommt. Außerdem sind sämtliche Figuren so zweidimensional und fast schon langweilig gezeichnet, dass es überhaupt keinen Platz für Empathie gibt. Damit ist es fast unmöglich, dem Werk etwas Menschliches abzugewinnen und sich in die Geschichte und in die Charaktere hineinzufinden. Und so bleibt der Zuschauer mit seinen Empfindungen an der Oberfläche und sieht vor allem eines: Charlie Sheen, der irgendwie sich selbst spielt, zusammen mit ein paar anderen Schauspielern in einem eigenartigen und peinlichen Film, der keinen Sinn ergibt und das Gefühl vermittelt, hier hätte ein 10-jähriger ein Drehbuch auf eine Serviette gekritzelt und dann mit wahnsinnig viel Ausstattung verfilmt.

Wäre der Hauptcharakter wenigstens etwas erträglich und würde sich nicht die gesamte Filmlänge über in unerträglichem Selbstmitleid suhlen und sich wie ein kleiner Junge benehmen, dem man den Lutscher geklaut hat, könnte man dem Film noch etwas im Sinne von Trash (frei nach dem Motto „so schlecht, dass er wieder gut ist“) abgewinnen. Doch bei aller Liebe: Charlies Welt gucken ist ungefähr so unterhaltsam wie der jährliche Zwangsbesuch bei der buckeligen Verwandtschaft. Sich ein Auge auszustechen macht da vermutlich mehr Spaß.

Charlies Welt

Und hier hätten wir den ersten Anwärter auf den Sieg in der Kategorie „schlimmster Film des Jahres 2013“ — „Charlies Welt“. Man sieht ja selten Werke, die so konsequent schrecklich sind wie Roman Coppolas Versuch, dem öffentlichen Zerfall von Charlie Sheen etwas Lustiges abzugewinnen, vor allem wenn Sheen selbst gern mitmacht.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Roderich Seiler · 04.07.2013

Na das ist doch mal eine Empfehlung! Frau Behn scheint offenbar eine tiefe Abscheu für leichtes Hollywood-Entertainment im besonderen und Charlie Sheen im speziellen zu haben und garniert selbiges mit verquaster Litanei. Coppola ist es scheinbar, für Frau Behn völlig überraschend, nicht gelungen, einen tiefgründigen Autorenfilm auf den Spuren Truffauts zu fabrizieren. Auch der Schwermut Dostojewskis wurde komplett außer Acht gelassen. Erstaunlich! Sagenhaft! Einem entspanntem Kino-Abend scheint mit diesem Film also absolut nichts im Wege zu stehen. Danke!

Sebastian Schumann · 01.10.2019

Nichts gegen anspruchsloses Mainstream-Kino. Das Fehlen von Dostojewski führt aber nicht zwangsläufig zu diesem. Es gibt den belanglosen Film, der gleichzeitig unerträglich langweilig ist. Ich kann mich der Autorin nur anschließen: Hier haben wir das Paradebeispiel.