C'est la vie - So sind wir, so ist das Leben (2008)

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

„Familien sind Menschen, die deine Gefühle zerstören“, dieser Meinung ist zumindest Albert, der mit seinem jüngeren Bruder Raphaël und dem Nesthäkchen Fleur in einer ganz normalen französischen Familie aufwächst, die sich – wie andere auch — im emotionalen Beziehungsgeflecht verstrickt, verbündet und manchmal auch verliert.

C’est la vie — So sind wir, so ist das Leben ist eine Familiensaga, die sich über den Zeitraum von zwölf Jahren erstreckt. Von 1988 bis 2000 werden exemplarisch fünf Tage herausgegriffen, in denen das Älterwerden der Kinder und der Eltern verfolgt wird, die die Konflikte und Schwierigkeiten der unterschiedlichen Generationen genauso thematisieren, wie deren Hoffnungen und Sehnsüchte. Während Albert (Pio Marmaï) als Ältester keinen sehnlicheren Wunsch hat, als in seine eigenen vier Wände zu ziehen, trauert ihm seine kleine Schwester Fleur (Déborah François) noch lange nach und Raphaël (Marc-André Grondin) ist ein hochmotivierter Student, der noch nicht einmal den Namen seines Studienfaches kennt … Für seinen Großvater Pierre (Roger Dumas) – ehemaliger Weingutbesitzer – ist klar, dass Raphaël damit in die erfolglosen Fußstapfen seines Vaters Robert (Jacques Gamblin) tritt, der es lediglich zu einem Job als Taxifahrer gebracht hat.

Während Albert sich im weiteren Verlauf dem Medizinstudium widmet und alles tut, um endlich von seinem Vater die gewünschte Zuneigung zu erhalten, wächst Fleur zu einer rebellischen Jugendlichen heran, die trotzig zerrissene Klamotten trägt — ganz wie ihr Vorbild Kurt Cobain — und zufällig von ihrer Mutter Marie-Jeanne (Zabou Breitman) beim Joint-Rauchen erwischt wird (wobei der Joint sogleich in die Hände von Marie-Jeanne wandert, die sich damit einen rauschhaften Abend gönnt). Was für ein emotionales Chaos, als dann ausgerechnet der unmotivierte Raphaël die Zuneigung seines Großvaters erhält, der ihn in die Geheimnisse der Welt der Weine einführt. Und dann gerät schließlich auch noch Marie-Jeanne in eine Midlife-Crisis, weil ihr Mann schon seit Ewigkeiten keinen Sex mehr mit ihr hatte und dies noch nicht einmal bemerkt hat. Ob eine Brustkorrektur oder wenigstens ein Gesichtslifting für Abhilfe sorgen könnte? Letztendlich wird die Familie erst wieder zueinander finden, als zwei unerwartete Schicksalsschläge passieren.

Was wie eine ganz normale Familien-Chronik klingt, wurde vom Regisseur Rémi Bezançon sehr sensibel und einfühlsam in eine Tragikkomödie verpackt, die sich in jeweils einem Filmkapitel einem der Protagonisten annähert. So werden die unterschiedlichen Perspektiven sichtbar, die jeder einzelne hat, und gleichzeitig wird damit das unzertrennliche Beziehungsgeflecht der Familie sichtbar. Die Saat, die vom Großvater gelegt wurde, indem er seinen einzigen Sohn nie respektiert und geliebt hat, wird auf die nächste Generation übertragen. Aber welch Überraschung, als Robert unvermutet ein Bild von sich im Portemonnaie seines gerade verstorbenen Vaters entdeckt. Genau so überrascht ist Marie-Jeanne von ihrer Tochter Fleur, als sie heimlich deren Tagebuch liest und merkt, dass diese ein völlig fremdes Leben führt.

Der Film arbeitet mit vielen Versatzstücken, mit Rückblenden, die wie ein Blitzlicht aufleuchten und doch ganz schnell entschwinden. Ganz so, wie es Erinnerungsfetzen tun. Beispielsweise wenn sich Raphaël an Momente mit seinem älteren Bruder erinnert: Der gemeinsam gesehene Western im Fernsehen, das Fußballspielen im Kinderzimmer und später das Skat-Gelage bei Zigaretten und Whiskey. Ohne die Gemeinsamkeiten der Vergangenheit wären alle nichts, und dennoch leiden die fünf Hauptfiguren genau daran. Denn sie versuchen sich selbst zu verwirklichen und auszubrechen – jeder auf seine Weise – aber sie verfangen sich immer wieder in den alten Verhaltensmustern, die es ihnen kaum möglich machen, loszulassen und neu anzufangen. Vielleicht wollen sie das aber auch gar nicht, denn letztendlich erkennt jeder für sich, dass sie zusammengehören, komme, was da wolle.

Während in der Komödie Endlich Witwe, in der Jacques Gamblin ebenfalls die Hauptrolle spielte, der Humor etwas überhand nahm, ist C’est la vie — So sind wir, so ist das Leben überaus tiefsinnig-sensibel und dennoch humorvoll gestaltet. Dem Zuschauer wird eine große Reflexionsfläche geboten, auf der er sich in vielen Punkten wiedererkennt und anschließend das Kino mit dem Gefühl verlässt, von nun an alles besser oder zumindest anders zu machen. Aber genau so wenig, wie Robert von seinem Kettenrauchen ablassen kann, werden sich die emotional aufgeladenen Familien- und Beziehungsstrukturen verändern — so ist das Leben.

C’est la vie — So sind wir, so ist das Leben erhielt insgesamt neun Nominierungen bei den César Awards 2009 und ging letztendlich mit drei Auszeichnungen nach Hause: Marc-André Grondin als bester männlicher Newcomer, Déborah François als beste weibliche Newcomerin und Sophie Reine in der Kategorie Bester Schnitt.
 

C'est la vie - So sind wir, so ist das Leben (2008)

„Familien sind Menschen, die deine Gefühle zerstören“, dieser Meinung ist zumindest Albert, der mit seinem jüngeren Bruder Raphaël und dem Nesthäkchen Fleur in einer ganz normalen französischen Familie aufwächst, die sich – wie andere auch — im emotionalen Beziehungsgeflecht verstrickt, verbündet und manchmal auch verliert.

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Meinungen

hasso · 25.05.2009

umwerfend gut! das ganze leben mit all seinen facetten, leicht und lakonisch erzählt, und das in nur knapp zwei stunden verdient grösste anerkennung. der beste film seit monaten. mei, die franzosen können so was halt aus dem eff-eff