Casa de los babys - Haus der verlorenen Kinder

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein Motel, in dem sich Schicksale kreuzen

Stars und Sternchen wie Madonna und Angelina Jolie haben den „Adoptionstourismus“ in die Schlagzeilen gebracht, doch auch schon vorher gab es diese Form des „transnationalen Warenverkehrs“, bei dem Frauen aus reichen Industriestaaten, die nicht in der Lage oder willens sind, eigene Kinder zu bekommen, Kinder aus ärmeren Ländern zur Adoption vermittelt werden. Auch filmisch gab es bereits eine Aufarbeitung des zwielichtigen Geschäfts mit dem Kinderwunsch, Bertrand Taverniers Film Holy Lola erzählte die Geschichte eines Paares, das nach Kambodscha aufbricht, um dort ein Waisenkind zu finden, das sie mit nachhause nehmen können. Bereits kurz vorher hat der US-amerikanische Independent-Regisseur John Sayles seinen Film Casa de los babys — Haus der verlorenen Kinder gedreht, der nun erst mit einiger Verzögerung den Weg in die deutschen Kinos findet. Umso erfreulicher ist es, dass dieser Film überhaupt noch den Weg auf die große Leinwand findet. Denn dank wunderbarer Schauspieler und einer behutsamen, unprätentiösen, oftmals dokumentarisch anmutenden Inszenierung überzeugt der nachdenkliche Film auf ganzer Linie.
Irgendwo in Lateinamerika in einer Nobelherberge namens „Casa de los Babys“, die von der reichlich exzentrischen exzentrischen Señora Muñoz (Rita Moreno) geführt wird, warten sechs Amerikanerinnen (gespielt von Darryl Hannah, Mary Steenburgen, Maggie Gyllenhaal, Lili Taylor, Susan Lynch und Marcia Gay Harden) auf den erlösenden Moment, an dem sie endlich „ihr“ Kind in ihre Arme schließen können. Doch der will sich einfach nicht einstellen. Immer wieder verschiebt sich die Übergabe aus unerfindlichen Gründen, werden die Frauen vertröstet, hingehalten, enttäuscht und dann wieder bei der Stange gehalten. Kein Wunder, dass die ohnehin strapazierten Nerven der werdenden Mütter bald über die Maßen gespannt sind – zumal sie in ihrem Luxusdomizil nichts weiter tun können, als die Zeit totzuschlagen. Nicht nur intern kommt es bald zu Konflikten, auch gegenüber der als minderwertig empfundenen Außenwelt zeigt sich immer wieder ein latent vorhandener Rassismus und Kolonialismus, der so gar nicht zum Selbstverständnis der Amerikanerinnen passen mag. Und selbst wenn der Ausflug in die Dritte Welt für zwei der Frauen glücklich endet – angesichts dessen, was wir vorher gesehen haben, mag der Begriff „Happy End“ nicht so richtig passen: Weder für die nun glücklichen Mütter noch für die Kinder.

Mit dem minimalem Budget von einer Million Dollar hat John Sayles diese aufregende Studie über Kinderglück und die Macht des Geldes, um gescheiterte Lebensentwürfe und falsche Hoffnungen, um Arroganz und Armut inszeniert und dabei einen sehr sehenswerten Film geschaffen, der unter die Haut geht. Ganz leicht und selbstverständlich, eher assoziativ montiert als perfekt durchkonstruiert führt Sayles die verschiedenen Charaktere, Handlungsfäden und Themen zusammen, die sich wie von selbst zu einem klug beobachteten Kaleidoskop menschlicher Schwächen und Leidenschaften verdichten. So einfach kann gutes, kluges, sehenswertes Kino manchmal sein.

Casa de los babys - Haus der verlorenen Kinder

Stars und Sternchen wie Madonna und Angelina Jolie haben den „Adoptionstourismus“ in die Schlagzeilen gebracht, doch auch schon vorher gab es diese Form des „transnationalen Warenverkehrs“, bei dem Frauen aus reichen Industriestaaten, die nicht in der Lage oder willens sind, eigene Kinder zu bekommen, Kinder aus ärmeren Ländern zur Adoption vermittelt werden.
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