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Na, endlich! Nach 20 männerdominierten Blockbustern bekommt auch im Marvel-Leinwanduniversum die erste Superheldin ihr eigenes Leinwandabenteuer. Schon die Besetzung mit Oscar-Preisträgerin Brie Larson lässt auf einen starken Auftritt von „Captain Marvel“ hoffen.

Captain Marvel (2019)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Vom Himmel gefallen

Während die von den Kritikern viel gescholtene DC-Kinoreihe der Superheldin Wonder Woman bereits in Kapitel vier ein Soloabenteuer schenkte, hat sich das Marvel Cinematic Universe mit einer besonderen Hervorhebung seiner weiblichen Figuren reichlich Zeit gelassen. Frauen – siehe Gamora (Zoe Saldana), Natasha Romanoff alias Black Widow (Scarlett Johansson) oder Wanda Maximoff alias Scarlet Witch (Elizabeth Olsen) – tauchten zwar regelmäßig auf, spielten bislang aber meistens nur eine untergeordnete Rolle. Erst im nunmehr 21. Teil der fortlaufenden Comic-Saga rückt mit Carol Danvers alias Captain Marvel (Brie Larson) eine besonders starke Kämpferin in den Mittelpunkt des Interesses.

Angesiedelt ist der vom Regiegespann Anna Boden und Ryan Fleck (Dirty Trip) inszenierte Spektakelstreifen im Jahr 1995 – und damit weit vor Gründung der Avengers-Superheldentruppe. Gleich zu Anfang darf die mit enormen übernatürlichen Kräften ausgestattete Protagonistin, die von der hochentwickelten Alien-Rasse der Kree zu einer Soldatin ausgebildet wurde, an einer Mission der Eliteeinheit Starforce unter Leitung ihres Mentors Yon-Rogg (Jude Law) teilnehmen. Dummerweise gerät die junge Frau dabei in einen Hinterhalt und wird von Talos (Ben Mendelsohn), dem Anführer einer bösen Spezies namens Skrull, gefangen genommen. Die Überrumpelte kann sich zwar befreien, strandet auf ihrer Flucht aber unfreiwillig auf dem Planeten Erde, wo sie dem S.H.I.E.L.D.-Agenten Nick Fury (Samuel L. Jackson mit digital verjüngtem Gesicht) begegnet. Während Talos und seine Schergen fieberhaft nach ihr suchen, begibt sie sich mit dem Ermittler auf eine Reise in ihre Vergangenheit. Immerhin kommen ihr viele Dinge auf der Erde seltsam vertraut vor.

Wirkte das im April 2018 veröffentlichte, mit einem Paukenschlag endende Giganten-Treffen Avengers: Infinity War stellenweise arg überladen und vollgestopft, präsentiert sich Captain Marvel als gut austarierte Popcorn-Unterhaltung. Humor, Gefühle, Action und kreative Bildeinfälle sind ausgewogen auf den rund zweistündigen Film verteilt, der im Gegensatz zu einigen anderen Comic-Adaptionen keineswegs zu lang erscheint. Aus der Selbstfindung der Hauptfigur, die sich im Anfangsdrittel bereits durch Erinnerungsfetzen und Albträume andeutet, hätte man sicher noch mehr Kapital schlagen können. Ein großer Wendemoment überrascht allerdings mit einer für ein Superheldenabenteuer durchaus ungewöhnlichen emotionalen Wucht.

Dass sie eine Könnerin ihres Fachs ist, darf die für ihre Darbietung in Raum mit einem Oscar ausgezeichnete Brie Larson erfreulicherweise nicht nur in den stilleren, charakterzentrierten Passagen beweisen. Das von den Regisseuren mitverfasste Drehbuch gibt ihr vielmehr ausreichend Gelegenheit, als lässige, dynamische, um keinen Spruch verlegene, ab und an auch in sportliche Alltagsklamotten gewandete Retterin zu brillieren. Zwischen Larson und Samuel L. Jackson entfaltet sich ein herrlich amüsanter Schlagabtausch, der Captain Marvel mitunter zu einem gemischt-geschlechtlichen Buddy-Movie avancieren lässt. Fury, der ohne seine berühmte Augenklappe zu sehen ist und im Verlauf Freundschaft mit einer als Szenendieb auftretenden Katze schließt, blickt dabei mehr als einmal staunend auf die Fähigkeiten seiner Begleiterin – ein Running Gag, den die Macher gelungen einsetzen.

Gut dosiert sind ebenso die Täuschungen, die mit der Gestaltwandler-Gabe der Skrull-Aliens einhergehen. Einige Male, aber nicht zu oft, kommt hinter der Maske eines Menschen plötzlich ein Außerirdischer zum Vorschein. Komisches Potenzial birgt auch diese Idee. Etwa dann, wenn Danvers in einer voll besetzten Bahn plötzlich mit einer vermeintlich harmlosen Oma in den Ring steigt. Obschon im letzten Akt etwas mehr Feinschliff wünschenswert gewesen wäre, kann die mit ein paar gelungenen Twists garnierte, unaufdringlich von Verfolgung und Familienzusammenführung erzählende Geschichte die 08/15-Plots mancher Superheldenfilme locker übertrumpfen. Voraus hat Captain Marvel vielen anderen Comic-Blockbustern außerdem, dass die Hauptfigur trotz ihrer gewaltigen Kräfte sehr geerdet wirkt, was die Anteilnahme ungemein erleichtert.

Captain Marvel (2019)

Captain Marvel spielt in den 1990er Jahren und behandelt den aus den Comics bekannten Krieg zwischen der Alien-Rassen Kree und Skrull. Air-Force-Pilotin Carol Danvers wird nach einem Unfall ebenfalls in den Konflikt verwickelt. Nick Fury und Phil Coulson, bekannt als spätere ranghohe S.H.I.E.L.D.-Agenten in anderen Filmen des MCU, treten auch im Film auf, ersterer noch bevor er sein Augenlicht auf einem Auge verlor.

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