Capital (2012)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Sie wollen nur spielen

Als der Krebs und später der Tod den alternden CEO der französischen Investmentbank „Phenix“ buchstäblich an den Eiern packt, hat die große Stunde seines jungen und ehrgeizigen Zöglings Marc Tourneuil (Gad Elmaleh) geschlagen, der dank der Protektion seines Vorgängers die Nachfolge als Vorstandsvorsitzender antreten kann. Die grauen Eminenzen im Aufsichtsrat der Bank sind sich sicher, dass der junge Emporkömmling schon nach ihrer Pfeife tanzen wird, doch dann verblüfft Tourneuil mit gewagten Manövern und einem radikalen Sanierungskurs die eigentlichen Machthaber und die gesamte Belegschaft.

Bald schon zeigt sich aber, dass noch andere Parteien beim erbarmungslosen Spiel um Geld und Macht ihre Finger mit im Spiel haben – da ist beispielsweise ein skrupelloser amerikanischer Hedge Fonds (Gabriel Byrne spielt einen der Manager dieser Vertreter eines Cowboy-Kapitalismus, wie die blasierten französischen Aufsichtsräte ihre transatlantischen Konkurrenten verächtlich nennen), der als großer Anteilseigner an Phenix die Bank in immer riskantere Geschäfte hineintreibt – mit dem Ziel, bald die komplette Kontrolle über die Bank an sich zu reißen. Doch Tourneuil erweist sich als mindestens ebenso gerissen und skrupellos wie seine Gegner.

Am 12. Februar dieses Jahres wurde der große griechisch-französische Regisseur Costa-Gavras 80 Jahre alt, doch wer glaubt, der große alte Mann des politischen Kinos sei durch die Gnade des Alters milder gestimmt, der sieht sich gottlob getäuscht. Noch immer lodert in ihm die Wut über soziale und gesellschaftliche Missstände, wird er nicht müde, diese in seinen Filmen aufzugreifen und anzuprangern.

Mit seinem neusten Werk, das den bezeichnenden Titel Le capital trägt, hat er sich der Finanzkrise und dem hemmungslosen, globalen Finanzwesen angenommen und liefert bisweilen zynische, dann wieder satirisch überspitzte Einsichten in das Denken und Handeln einer gierigen Finanzelite, die sich längst jeder Form der staatlichen Kontrolle entzogen hat und ohne jede Skrupel mit Millionen und Milliarden jongliert.

Mit beinahe zwei Stunden Laufzeit und dichten, munter zwischen verschiedenen Sprachen hin und her wechselnden Dialogen voller komplexer Business-Vokabeln und finanziellen Feinheiten ist Le capital ein durchaus fordernder Film, der aller Vertracktheit zum Trotz äußerlich sehr licht und überaus elegant montiert daherkommt. Über weite Strecken versteht es Costa-Gavras dabei, seinen Protagonisten als charmanten, aalglatten, aber auch perfiden und von grenzenloser Gier (nicht nur nach Geld) getriebenen Schurken stets in der Balance zwischen Faszination und Ekel seitens der Zuschauer zu halten, so dass bis zum Ende nahezu jeder tatsächliche, aber auch nur vorgetäuschte Sinneswandel möglich erscheint. Ist dieser Inbegriff eines entfesselten Turbokapitalismus wirklich ein moderner Robin Hood, der, wie es an einer Stelle des Films heißt, die Armen ausraubt, um die Beute den Reichen zu geben? Oder wird er am Ende doch einsehen, dass sein Tun und Handeln, sein ganzes Streben nach Geld und Macht grundsätzlich falsch ist? Die Auflösung dieses Blicks in den Abgrund des international agierenden Finanzschurkentums erfolgt erst ganz am Ende in einer im letzten Moment surreal anmutenden Szene, die wie ein lässiger Klaps mit der flachen Hand ins Gesicht der Zuschauer erfolgt – sie wollen nur spielen, diese gesetzten Herren mit den maßgeschneiderten Anzügen. Und wir armen kleinen Würstchen und unsere gewählten Volksvertreter werden sie nicht davon abhalten.
 

Capital (2012)

Als der Krebs und später der Tod den alternden CEO der französischen Investmentbank „Phenix“ buchstäblich an den Eiern packt, hat die große Stunde seines jungen und ehrgeizigen Zöglings Marc Tourneuil (Gad Elmaleh) geschlagen, der dank der Protektion seines Vorgängers die Nachfolge als Vorstandsvorsitzender antreten kann.

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