Caótica Ana (2007)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die vielen Leben der Ana

An Spaniens Regiewunder Julio Médem, der für viele Experten auf einer Stufe mit Pedro Alomdóvar steht, scheiden sich schon immer die Geister. Und daran wird sich auch durch seinen neuen Film Caótica Ana nichts ändern. Denn wie bereits in seinen früheren und zum Teil hymnisch gefeierten Werken Tierra (1996), Die Liebenden des Polarkreises / Los Amantes del Círculo Polar (1998), und Lucia und der Sex / Lucía y el sexo (2001) verweigert sich Médem auch weiterhin konsequent den gewohnten Erzählformen und vermischt Symbolismus, Zufall und verschlungene Handlungsstränge zu einer einzigartigen künstlerischen Handschrift, die manche Zuschauer hellauf begeistert, viele aber auch verstört und abstößt.

Im Mittelpunkt seines neuen Films steht die junge Malerin Ana (Manuela Vellés), die bislang mit ihrem Vater Klaus (Matthias Habich) in einer Höhle auf Ibiza hauste. Eines Tages werden die Bilder des Hippiemädchens von der Mäzenin Justine (Charlotte Rampling) entdeckt und begeistert aufgenommen. Die Kunstliebhaberin macht Ana ein Angebot, das diese nicht ablehnen kann. Die Malerin soll – von Justine gefördert – in einer Künstlergemeinschaft in Madrid leben und dort ihr unbestreitbares Talent weiterentwickeln. Anfangs fühlt sich Ana sichtlich wohl in der Gemeinschaft und wirkt wie infiziert von all der kreativen Kraft, die sie umgibt. Sie verliebt sich zum ersten Mal im Leben und entdeckt in ihrem Geliebten, dem aus Marokko stammenden Said (Nicolas Cazalé) einen echten Seelenverwandten. Wovon die beiden Liebenden aber nichts ahnen: In beiden schlummern Abgründe und Spuren früherer Leben, die sich machtvoll den Weg ans Licht bahnen. Erst eine Hypnosesitzung bei dem Psychologen Anglo (Asier Newman) bringt die ganze Wahrheit ans Licht: In Ana schlummern die Leben verschiedener Frauen aus unterschiedlichen Epochen, die alle eines gemeinsam haben – sie starben im Alter von 22 Jahren. Was bedeutet, dass Ana nicht mehr viel Zeit bleibt.

Leben, Tod und Wiedergeburt sowie die alles verbindende und überwindende Kraft der Liebe – dies sind die großen Themen, denen sich bereits Filmemacher wie Darren Aronofsky in The Fountain und Sally Potter in Orlando, ihrer Verfilmung eines Romans von Virginia Woolf gewidmet haben. Und nun also auch Julio Médem.

Der 1958 in San Sebastián geborene Filmemacher entfaltet einen opulenten und manchmal beinahe übermächtigen, symbolistisch aufgeladenen und einige Male an Eso-Kitsch grenzenden Bilderbogen zwischen verschiedenen Zeiten und Lebenswelten, der dem Zuschauer einiges abverlangt. Und wie so häufig bei Geschichten, in denen es um Phänomene jenseits unserer alltäglichen Erfahrungswelt geht, bedarf es schon viel guten Willens, um sich auf die Prämissen von Médems mythologisch angehauchter Story einzulassen. Wer mit Reininkarnation, Rückführung und Ähnlichem nichts anfangen kann, dem sei von Caótica Ana dringend abgeraten.

Was Médem selbst zu diesem Film bewogen hat, erzählt eine knappe Texttafel am Ende des Films: „Meiner Schwester Ana, die ging, meiner Tochter Ana, die kam“. Der Hintergrund: Die Schwester des Filmemachers, von der übrigens einige der Bilder in dem Film stammen, verstarb vor sieben Jahren auf dem Weg zu ihrer ersten Ausstellung tödlich, Médem benannte seine Tochter nach ihr. Gut möglich, dass dieser persönliche Verlust und der tröstliche Gedanke an Wiedergeburt einiges an diesem Film erklärt. Und trotzdem gibt dieser Film immer noch genug Rätsel auf, die hoffen lassen, dass sich der spanische Filmemacher ähnlich wie seine Protagonistin in einer Phase des Übergangs befindet, deren Ziel noch nicht abzusehen ist.
 

Caótica Ana (2007)

An Spaniens Regiewunder Julio Médem, der für viele Experten auf einer Stufe mit Pedro Alomdóvar steht, scheiden sich schon immer die Geister. Und daran wird sich auch durch seinen neuen Film Caótica Ana nichts ändern.

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Meinungen

Ludger K. · 21.11.2008

Ich wollt einen Kommentar zu der DVD AUF WIEDERSEHEN AMERIKA abgeben, abr klappt nicht. Echt sechs Sterne genau aus den Gründen obwohl nicht alles perfekt ist und Isaak mit seinen frühlingsgefühen später nervt. Aber trifft genau ins schwarze und das mit der grünen Tasche viel mir auch auf und ich hab sofort an ... gedacht, ob das noch einer merkt? Und das moderne jüdische Szene wird auch etwas witzig dargestellt. Die Figuren wirken noch lange nach. Sechs Sterne!