Call Me Kuchu

Eine Filmkritik von Kirsten Kieninger

Hochburg der Homophobie

„Kuchu“, so nennen sich die Mitglieder der lesbisch, schwul, bisexuellen und transgender-Community (LGBT) in Uganda . Doch statt Gay Pride herrscht in dem ostafrikanischen Land Gay Fear. Homosexualität ist – wie in weiten Teilen Afrikas – kriminalisiert; staatlich sanktionierte und religiös geschürte Homophobie dominiert Gesellschaft und Medien. 2009 wurde ein Anti-Homosexuellen-Gesetzentwurf vorgelegt, der die Todestrafe für Schwule vorsah und außerdem jedem, der einen ihm bekannten Schwulen nicht innerhalb von 24 Stunden den Behörden meldet, mit langjährigen Gefängnisstrafen droht.
Dieser Gesetzentwurf erregte nicht nur Aufmerksamkeit und Proteste bei internationalen Menschenrechtsgruppen und Regierungen, sondern bewegte auch die US-amerikanischen Filmemacherinnen Katherine Fairfax Wright und Malika Zouhali-Worrall. Sie begannen – zunächst selbst- und Crowd-finanziert – ein Filmprojekt über die LGBT-Community in Uganda. Inzwischen ist ihr Dokumentarfilm-Debüt auf Filmfestivals mit mehreren Jury- und Publikumspreisen ausgezeichnet worden.

„Es gibt keine Debatte mehr darüber, ob Homosexualität richtig ist oder nicht – sie ist es nicht.“ Mit dieser Aussage konfrontierte ein Parlamentsmitglied in Kampala die Filmemacherinnen gleich zu Beginn ihrer Arbeit an Call Me Kuchu. Der über zwei Jahre in Uganda gedrehte Dokumentarfilm ist ein unmittelbares, differenziertes und erschütterndes Dokument über den Kampf der kleinen aber aktiven LGBT-Bewegung gegen Hass, Gewalt und Ungerechtigkeit. Ihr prominentester Vorkämpfer und ein Protagonist des Films ist – oder besser war – David Kato. Ugandas erster offen lebender Schwuler wurde im Januar 2011 ermordet. Call Me Kuchu ist auch das sensible Portrait dieses Mannes, der in Südafrika ein selbstverständliches Leben als Schwuler für sich entdeckte und sich seitdem in seiner Heimat offensiv dafür einsetzte.

Wie es um die LGBT-Community in Uganda steht, bringen schon die ersten Filmminuten auf den Punkt: Da feiern Mitglieder der Community eine schwule Verpartnerung; nicht in drags, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, vor Blicken geschützt durch hohe Mauern um das Haus; offen und ausgelassen unter sich, aber doch heimlich, versteckt und abgeschottet. In der Montage wird diese Szene konfrontiert mit einer Versammlung evangelikaler Christen. Der Priester eifert gegen Homosexuelle und stachelt die Gläubigen mit Hassreden auf. Auch US-amerikanische Evangelikale ziehen in ihrem Krieg gegen Homosexualität in Uganda aggressiv zu Felde.

Die Kirche verdammt sie, die Politik kriminalisiert sie und die Medien blasen zur Jagd auf sie. Die ständige Bedrohung, unter der die „Kuchus“ in Uganda leben, nimmt im Film immer konkretere Gestalt an. Wenn der Parlamentarier David Bahati konstatiert: „Homosexualität ist kein Menschenrecht“ und seiner Forderung der Todesstrafe Nachdruck verleiht. Wenn der Herausgeber der Boulevardzeitung Rolling Stone (die nichts mit dem gleichnamigen Musikmagazin gemein hat, eher mit der Bild-Zeitung) unter dem Aufmacher „100 pictures of top homos leak“ Fotos, Namen und Adressen veröffentlicht, seine Leser mit dem Zusatz „hang them!“ aufhetzt – und sich vor der Kamera mit überlegenem Lachen moralisch im Recht wähnt. Wenn daraufhin „Kuchus“ ihren Job oder ihre Wohnung verlieren und eine Frau fast gesteinigt wird. Wenn „korrektive Vergewaltigungen“ gegen Lesben zur Tagesordnung gehören. Dieses hasserfüllte Klima macht der Film greifbar und als ein mit sexueller Freiheit sozialisierter Zuschauer mag man es kaum glauben.

Um so erstaunlicher, dass die Filmemacherinnen LGBT-Mitglieder und Sympathisanten gefunden haben, die bereit waren, sich von der Kamera begleiten zu lassen, sich zu öffnen und damit angreifbar zu machen. Call Me Kuchu stellt außer David Kato auch seine MitstreiterInnen Naome, Stosh und Longjones vor, und mit Bishop Seyonjo einen außergewöhnlichen Kirchenmann, der sich gegen seine Kirche und auf die Seite der „Kuchus“ stellt. Während einem die Protagonisten in ihrer Offenheit immer mehr ans Herz wachsen, verfolgt der Film chronologisch die Arbeit der Aktivisten: Den Prozess, den sie vor Gericht gegen die Hetzkampagne des Rolling Stone anstrengen, ihre Proteste gegen den fatalen Gesetzesentwurf und ihre Bemühungen um politische Unterstützung der Internationalen Gemeinschaft.

Wirklich bemerkenswert ist, wie es den Filmemacherinnen ganz ohne erläuternden Kommentar, nur mithilfe der Montage gelingt, aus zwei Jahren Drehzeit ein facettenreiches und spannendes Dokument der Zeitgeschichte zu destillieren. Call Me Kuchu bewegt einerseits durch große Unmittelbarkeit und Nähe, die der Film zu seinen Protagonisten herstellt und besticht zugleich durch den differenzierten Überblick, mit dem der Film seinem komplexen Thema gerecht wird.

Das Anti-Homosexualität-Gesetz von 2009 wurde übrigens aufgrund von internationalem Druck fallen gelassen. Im Februar 2012 allerdings wurde es erneut ins Parlament eingebracht.

Call Me Kuchu

„Kuchu“, so nennen sich die Mitglieder der lesbisch, schwul, bisexuellen und transgender-Community (LGBT) in Uganda . Doch statt „Gay Pride“ herrscht in dem ostafrikanischen Land „Gay Fear“. Homosexualität ist – wie in weiten Teilen Afrikas – kriminalisiert; staatlich sanktionierte und religiös geschürte Homophobie dominiert Gesellschaft und Medien. 2009 wurde ein Anti-Homosexuellen-Gesetzentwurf vorgelegt, der die Todestrafe für Schwule vorsah und außerdem jedem, der einen ihm bekannten Schwulen nicht innerhalb von 24 Stunden den Behörden meldet, mit langjährigen Gefängnisstrafen droht.
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