Café Society

Eine Filmkritik von Festivalkritik Cannes 2016 von Joachim Kurz

Eine boulevardeske Midtempo-Champagner-Komödie

Mit Woody Allen, so scheint es beim Filmfestival von Cannes einhellige Meinung zu sein, kann man eigentlich kaum etwas falsch machen: Bereits zum dritten Mal eröffnet ein Film des New Yorker Altmeisters (Verzeihung, aber gerade in diesem Fall bietet sich dieser Terminus einfach an) das Festival an der Croisette. Im Jahr 2002 markierte Hollywood Ending den Auftakt, dann 2011 Midnight in Paris – und nun Café Society.
Im Mittelpunkt der Story, die in den 1930er Jahren angesiedelt ist, steht der junge und recht naive Bobby Dorfman (Jesse Eisenberg), der aus der New Yorker Enge seiner recht beschränkten jüdischen Familie mit sich ewig kabbelnden Eltern und einem Bruder mit Kosher-Nostra-Hintergrund nach Hollywood flieht, wo sein Onkel Phil (Steve Carrell) es zu einem der angesehensten Agenten im noch jungen Filmbusiness gebracht hat. Dort, so sein Wunsch, möchte er es im Windschatten des geschmeidigen und mit allen Wassern gewaschenen Verwandten zu etwas bringen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten scheint sich dieser Wunsch auch zu erfüllen – vor allem aber tritt mit Vonnie (Kristen Stewart) eine Frau in sein Leben, die zu den kühnsten Hoffnungen für die Zukunft berechtigt. Was Bobby freilich nicht weiß: Vonnie ist die heimliche Geliebte seines Onkels Phil – und der ist wegen seiner Liebschaft kurz davor, sich von seiner Ehefrau zu trennen. Also steht Vonnie bald vor einer Entscheidung zwischen Onkel und Neffen und Bobby vor den Trümmern seiner Träume. Und selbst als er es später in New York zu einem erfolgreichen Nachtclub-Besitzer bringt, ist diese unglückliche Liebe immer noch wie ein dunkler Schatten über seinem Leben, das doch eigentlich endlich glücklich und erfüllt sein könnte …

Die gegenseitige Liebe zwischen dem Festival und Woody Allen ist nicht nur nicht zu übersehen, sondern auch nicht zu überhören: Von dem berühmt-berüchtigten Dixieland-/Swing-Jazz, mit dem die Zuschauer vor der Vorstellung gerne beschallt werden, ist es zum Soundtrack von Café Society nur ein Katzensprung, und es bedarf schon einer grundsoliden musikwissenschaftlichen Ausbildung, um feine Unterschiede herauszufiltern. So könnte der geneigte Zuschauer, sofern er nicht am Vorabend zu tief ins Champagnerglas geschaut hat, quasi nahtlos in den Film hineinswingen, um 96 Minuten später wieder leicht beseelt und beschwingt den Kinosaal zu verlassen.

Ganz so reibungslos funktioniert der Übergang dann aber doch nicht. Bei aller Routine, die Woody Allen auch hier wieder ausspielt, taucht man doch nie wirklich in diese Welt ein, wird bei aller Sympathie (der eigenen und jener des Regisseurs) niemals so ganz warm mit diesen Figuren, nimmt den Schauspielern niemals die völlige Verschmelzung mit ihrer Filmpersona ab, sondern sieht stets Steve Carrell, Kristen Stewart und Jesse Eisenberg, die sich je nach Szene brav oder völlig übertrieben an den Klischees abarbeiten, die der Drehbuchautor Woody Allen ihnen auf den Leib respektive das Kostüm geschrieben hat. Zwar zünden die Dialoge immer noch hier und dort, doch im Grunde hat man das Gefühl, einer solide gespielten, aber niemals tiefgründigen Boulevard-Komödie beizuwohnen, die seelische Abgründe und dramatische Verwicklungen stets nur behauptet, aber niemals wirklich nachvollziehbar oder gar emotional spürbar werden lässt.

Das Kino als Anti-Illusionsmaschine, bei denen weder die Story noch die Figuren wirklich interessieren, sondern vielmehr der Mann im Hintergrund im Mittelpunkt steht. Eigentlich hat Woody Allen längst – unabhängig von der offiziellen Genre-Benennung – sein eigenes Genre erschaffen: Die Midtempo Romantic Comedy mit durchgängigem Jazz-Score (auch der in Midtempo), spritzigen Dialogen und (im besten Falle) angedeutetem Tiefgang – wahlweise aufgepeppt durch (aus den Augen von Amerikanern) „exotische“ Handlungsorte oder Epochenverschiebungen, die vor allem verbergen sollen, dass der Regisseur eigentlich seit vielen Jahren stets den gleichen Film macht. Man mag verständlich finden, dass ein Mann seines Alters sich nicht mehr selbst permanent neu erfinden möchte, und es strahlt auch eine große Zuverlässigkeit aus. Nur so sehr diese leichte Unterhaltung gelegentlich munden mag: Im Grunde ist sie recht langweilig und – bei allem Respekt – auch ziemlich belanglos.

So bleibt die spannende Frage, die nach diesem zwar gelungenen, aber auch recht überraschungsfreien Auftakt weiter im Raum steht, weniger eine nach dem Film selbst, sondern nach dem, was sowieso eines der Hauptthemen des Festivals an der Croisette 2016 (neben dem allgegenwärtigen und sehr augenfälligen Sicherheitsaspekt) werden könnte: Weil Amazon Studios Allens neues Werk produziert hat und aus dem Stand den Medaillenspiegel der Festivalfilme anführt, könnte es durchaus sein, dass Café Society dann doch aller Vorhersehbarkeit zum Trotz etwas ganz Besonderes ist – nämlich der Film, der offensichtlich werden ließ, dass Amazon Studios gerade dabei ist, den fest aufgeteilten Produktions- und Distributionsmarkt tüchtig aufzumischen. Vor diesem Hintergrund gerät es fast zur Nebensache, ob und auf welche Weise Woody Allens Film tatsächlich in Deutschland ins Kino gelangen wird. Die Zeichen stehen auf Wechsel – nicht unbedingt bei Woody Allen, aber in der Kinolandschaft. Die Art und Weise indes (und vor allem die Namen, mit deren Hilfe das geschieht,) stimmt milde pessimistisch: Gerade erst wurde bekannt, dass Amazon Studios mit Mike Leigh einen Deal über seinen neuen Film abgeschlossen hat. Das passt bestens zu Woody Allens Film und zu anderen Coups, die der neue Player und mögliche Game Changer in letzter Zeit abgeschlossen hat: Im Fokus des Interesses der neuen Marktmacht stehen Filme bekannter Arthouse-Regisseure, die sich vor allem durch Prominenz und Verlässlichkeit, nicht aber primär durch Innovationskraft auszeichnen.

Was das für die Zukunft des Kinos bedeutet, berechtigt gleich aus mehreren Gründen nicht unbedingt zu großem Optimismus: Auf diese Weise nämlich kann es einerseits geschehen, dass bestimmte Aspekte des Arthouse-Kinos nicht mehr in erster Linie in den Lichtspieltheatern der Welt abgebildet werden, sondern anderswo. Und andererseits zeigt es auch, dass es den neuen Playern nicht um künstlerische Innovation geht, sondern vor allem um große Namen und damit verbunden einen schnellen Marktzugang. Wie genau dieser Markt dann aber nach erfolgtem und erfolgreichem Umbau aussehen wird, davon haben wir im Moment noch nicht die geringste Ahnung.

(Festivalkritik Cannes 2016 von Joachim Kurz)

Café Society

Mit Woody Allen, so scheint es beim Filmfestival von Cannes einhellige Meinung zu sein, kann man eigentlich kaum etwas falsch machen: Bereits zum dritten Mal eröffnet ein Film des New Yorker Altmeisters (Verzeihung, aber gerade in diesem Fall bietet sich dieser Terminus einfach an) das Festival an der Croisette. Im Jahr 2002 markierte „Hollywood Ending“ den Auftakt, dann 2011 „Midnight in Paris“ – und nun „Café Society“.
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Meinungen

Sascha · 22.11.2016

Kein Geniestreich wie Match Point, aber ich habe mich 1 1/2 h ganz gut unterhalten gefühlt. Tolle Bilder, tolle Ausstattung der 30iger Jahre.