Byzantium

Eine Filmkritik von Björn Helbig

Vampirsein als Frauensache

Vampire. Das sind Wesen, die sich durch das Blut von Menschen eigene Lebenszeit erkaufen. Doch diese Fähigkeit, die sie hunderte von Jahren alt werden lässt, ist gleichzeitig ihr Verderben: Je länger sie auf der Welt sind, desto weiter entfernen sie sich von den Menschen und allem, was ein Leben lebenswert macht. Am Ende warten oft nur Traurigkeit und Leere. Es gibt nicht viele Regisseure, die es verstehen, die dem Vampir-Stoff innewohnende Tragik in einen Film zu überführen. Neil Jordan (Interview mit einem Vampir, Breakfast on Pluto) gehört zu den wenigen. Byzantium heißt sein neuer Vampirfilm, der nicht nur wahnsinnig schön ist, sondern auch einige Konventionen des Genres auf den Kopf stellt.
Clara Webb (Gemma Arterton) und ihre Tochter Eleanor (Saoirse Ronan) sind Vampire, die versuchen, so gut es geht über die Runden zu kommen. Während Clara als Prostituierte arbeitet und ihre Opfer aus dem Kreis ihrer Freier rekrutiert, wählt Eleanor nur Menschen aus, die auch sterben wollen. Doch die beiden müssen auf der Hut sein. Eine geheimnisvolle Bruderschaft ist ihnen auf den Fersen. Diese Bruderschaft achtet streng auf die Einhaltung ihrer Regeln – Regeln, die Clara und Eleanor seit 200 Jahren immer wieder brechen.

Bei Byzantium fällt zunächst auf, was der Film alles nicht ist: Er ist zum Beispiel kein typischer Vampirfilm, weil der Begriff im Film nicht ein einziges Mal auftaucht. Und auch einige üblicherweise feste Ingredienzien des Genres fehlen: So haben die „Vampire“ in Jordans Film keine Fangzähne, können sich auch bei Tageslicht draußen aufhalten und zeigen weder die typischen Stärken noch Schwächen ihrer Gattung. Und auch wenn die Inhaltsangabe so klingen mag: Byzantium ist kein Film, in dem es vorranging um die Flucht zweier Blutsauger geht, nicht einmal Spannung und Grusel stehen im Vordergrund. Mit dem für ihn typischen visuellen Gespür, langsam, gemächlich und nicht selten weit ausholend, erzählt Jordan die auf dem Roman von Moira Buffini beruhende Geschichte. Ausführlich beschäftigt er sich mit dem Hintergrund von Clara, welche zu Zeiten Napoleons zur Prostitution und darüber hinaus gezwungen wurde, ihre Tochter Eleanor wegzugeben. So entsteht nach und nach ein komplexes Bild der Figuren.

Auf ihrer Flucht vor den Mitgliedern der Bruderschaft verschlägt es die beiden Frauen in ein verschlafenes Küstenstädtchen, wo Clara gleich den örtlichen Zuhälter aus dem Weg räumt und mit Hilfe des einsamen Hotelbesitzers Noel (Daniel Mays) einen Puff eröffnet. Eleanor freundet sich derweil mit dem kranken Hotelangestellten Frank (Caleb Landry Jones) an, der sie dazu inspiriert, ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben. Clara war schon immer diejenige, die versucht hat, ihren schönen Körper für ihre Ziele einzusetzen. Ihre Tochter hingegen, die in einem religiösen Waisenhaus aufgewachsen ist, verzaubert ihre Umwelt durch ihre musischen und lyrischen Fähigkeiten. Byzantium setzt somit ganz auf die beiden Hauptfiguren, ihre Beziehung zueinander, aber auch ihre jeweilige Einstellung zur Welt. Gemma Arterton und Saoirse Ronan machen ihre Sache verdammt gut, und es ist zu einem Großteil ihnen zu verdanken, dass der Film stets fesselnd bleibt. Vor allem Arterton hat man lange nicht mehr so gut gesehen wie in ihrer Rolle als verführerischer, verletzlicher, wütender Vamp.

Byzantium hat durchaus Ähnlichkeit mit Jordans Anne Rice-Verfilmung aus dem Jahr 1994 – nicht nur, was die Themen Einsamkeit, Liebe und Sinnsuche, sondern auch, was die etwas umständliche Erzählweise mit Hilfe von Rückblenden betrifft. Trotzdem ist der Film mehr als eine Variante seines Vorgängers. Er bietet eine eigene Auseinandersetzung mit dem Stoff. Statt der Männerfreundschaft aus Interview mit einem Vampir steht hier die Beziehung zweier Frauen im Mittelpunkt. Es gibt bisher nicht viele Vampirfilme, die so konsequent auf ausschließlich weibliche Hauptrollen setzen. Wahrscheinlich einzigartig ist Byzantium aber nicht durch seine Figuren, sondern weil er das Verhältnis von Frau und Mann bzw. die Rolle der Frau in einer männlich dominierten Gesellschaft thematisiert. Am Schluss ist Byzantium vielleicht sogar der erste wirklich feministische Film dieses Genres. Schon aus diesem Grund gebührt ihm ein fester Platz in der leider nur kurzen Liste der herausragenden Vampirfilme.

Byzantium

Vampire. Das sind Wesen, die sich durch das Blut von Menschen eigene Lebenszeit erkaufen. Doch diese Fähigkeit, die sie hunderte von Jahren alt werden lässt, ist gleichzeitig ihr Verderben: Je länger sie auf der Welt sind, desto weiter entfernen sie sich von den Menschen und allem, was ein Leben lebenswert macht.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen