Bulb Fiction

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Wenn Licht krank macht

Quecksilberhaltige Fieberthermometer sind verboten, Energiesparlampen nicht. Doch auch sie enthalten Quecksilber. Wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Auf jeden Fall, meinen Regisseur Christoph Mayr und sein Kameramann in ihrer Dokumentation Bulb Fiction über das politisch gewollte Aus für die Glühlampe. In ihrem leidenschaftlichen filmischen Plädoyer treten sie einer seltenen Allianz gegenüber: Politik, Industrie und Umweltschützer ziehen an einem Strang. Die klassische David-gegen-Goliath-Situation also, die einmal mehr den Stoff für einen mitreißenden Film liefert. Ob damit alle Argumente auf dem Tisch liegen, steht freilich auf einem anderen Blatt.
Denn das ist schon in den ersten Einstellungen zu spüren: Hier geht es nicht um ein ausgewogenes, distanziertes Für und Wider. Hier geht es ums Aufdecken, Anprangern und Anklagen. Bulb Fiction will mehr als nur informieren. Der Film möchte dazu beitragen, das Aus für die Glühlampe zurückzunehmen. Er wirbt für bürgerlichen Ungehorsam, etwa für den kreativen Widerstand der „Heatball“-Erfinder, die „Kleinheizgeräte“ auf den Markt bringen wollen, die einen geringen Teil ihrer Energie in Form von Licht „verschwenden“ und wie zufällig in jede handelsübliche Lampenfassung passen.

Kameramann Moritz Gieselmann hatte als erster die Idee zu dem Film. Er hielt es zunächst für einen schlechten Witz, als er 2007 zum ersten Mal von den Plänen der EU hörte – schließlich kennt er sich aufgrund seines Berufs bestens mit den Vor- und Nachteilen verschiedener Lichtsysteme aus. Als Gieselmann merkte, wie ernst es der Politik war, machte er ebenfalls ernst. Er recherchierte, schrieb Zeitungsartikel und gewann Regisseur Christoph Mayr für die Film-Idee. Gemeinsam machten sie sich auf eine wissenschaftliche Erkundungsreise, die zum Politthriller geriet – implizite Andeutungen auf Kartelle, Verschwörung und ungeklärte Todesfälle inklusive. Die Rechtsanwälte dürften jedenfalls alle Hände voll zu tun gehabt haben, um die Kommentare und Zitate des Films wasserdicht zu machen.

Entstanden ist eine optisch ansprechende, klug gebaute Enthüllungsreise auf den Spuren eines Michael Moore – mit Kommentar, Regisseur vor der Kamera und klarer Parteinahme. Dabei trägt Bulb Fiction Informationen zusammen, die auch Befürworter der Energiesparlampe ins Grübeln bringen dürften. Etwa, dass das Glühlampenverbot den CO2-Ausstoß der EU-Länder nur um 0,4 Prozent senkt – eine Zahl, die auch von einer EU-Sprecherin nicht bestritten wird. Wenig bekannt dürfte auch die Tatsache sein, dass die Lebensdauer der Glühlampen viel höher sein könnte als sie es aus Verkaufs- und Kartellgründen ist, nämlich 5.000 statt 1.000 Stunden. Und ziemlich beeindruckend ist auch die Zahl an Energiesparlampen, die täglich entsorgt werden müssen, wenn die EU-Verordnung flächendeckend greift: eine Million. Das entspricht 146 Tonnen Quecksilber im Jahr. Und wenn man dann erfährt, dass eine englische Recyclingfirma zu 145.000 Pfund Geldstrafe verurteilt wurde, weil 20 ihrer Angestellten Quecksilber einatmeten und krank wurden – dann sind das Fakten, auf die die Befürworter des Glühlampenverbots erst mal eine Antwort finden müssen.

Was fällt mehr ins Gewicht – die Entlastung des Klimas oder die Belastung mit Quecksilber? Diese Frage zu beantworten ist wie bei allen Ökobilanzen ziemlich komplex. Ob der Film darauf die einzig mögliche Auskunft gibt, ist für den technischen Laien schwer zu beurteilen. Aber wenn Bulb Fiction dazu führt, dass die Quecksilbergefahr ins breite Bewusstsein rückt, dann ist sicherlich schon viel gewonnen. Bisher hatten ja ausschließlich die Befürworter des Glühlampenverbots die Macht über die öffentliche bzw. veröffentlichte Meinung.

Bulb Fiction

Quecksilberhaltige Fieberthermometer sind verboten, Energiesparlampen nicht. Doch auch sie enthalten Quecksilber. Wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Auf jeden Fall, meinen Regisseur Christoph Mayr und sein Kameramann in ihrer Dokumentation „Bulb Fiction“ über das politisch gewollte Aus für die Glühlampe.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

franzien · 12.06.2012

Bulb Fiction ist eine Dokumentation, die ich jedem Fall empfehlen würde. Ja, sie hat ein paar dramaturgische Schwächen und ja, ein wenig populistisch ist sie auch. Aber wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was darin erzählt wird, ist es genau wie bei Plastic Planet ausreichend, um sich mal wieder den wirklich wichtigen Fragen im Leben zu stellen, nämlich der der eigenen Gesundheit und welchen Beitrag man selbst dazu leisten kann. Umweltschutz hat vor allem was mit dem Nutzen des eigenen Kopfes zu tun und nicht alles, was die grüne Lobby vorgibt, macht Sinn. Ich sage nur Bio-Bananen aus Ecuador ..... naja, hat jetzt mit dem Thema nix zu tun. Zum Richtigsteller bleibt zu sagen: Lobbyisten sollten sich zumindest auf diesen Seiten doch bitte der Meinung enthalten. Ein bisschen Freiraum zum selbstbestimmten Denken braucht ein jeder, besonders auf der Kinoseite.

Richtigsteller · 26.01.2012

Die energetisch extrem ineffiziente Glühlampe und die schadstoffhaltige Energiesparlampe stehen als pars-pro-toto für unser gesellschaftliches Unvermögen, zwei der drängendsten Problemfelder der Zukunft zu lösen: Energiesicherheit und Kreislaufwirtschaft.
Ja: Das EU-Glühlampen-"Verbot" (die nicht verbotenen Halogenlampen sind ja auch Glühlampen) ist eine (missratene) symbolische Politik, es ist in vielen Punkten unausgereift und die gelebte Realität (z.B. die Entsorgung) hinkt den Zielsetzungen hinterher - nicht zuletzt infolge der mangelhaften Sammel- und Rückgabedisziplin der Konsumenten. Aber Glühlampen sind eben nicht "die" besseren Lampen. Und die Leuchtstofftechnik der Energiesparlampen ist nicht die einzige Alternative zur konventionellen, energiefressenden Glühlampe. Der Film klagt an - aber er zeigt keinen Weg auf, wie man das Problem der Energieverschwendung löst.
Genialer Titel, gutes Poster, engagiertes Marketing im Web2.0 - und ein Film, der den unbedarften Zuschauer aufrüttelt und zugleich einlullt. Wer die ganzen im Film dargelegten Verschwörungstheorien, "Fakten" und "Vorfälle" unhinterfragt für bare Münze nimmt, geht Mair/Gieselmann in vielen Punkten auf den Leim.