Brighton Rock

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Die verhängnisvolle Zeugin

Das britische Seebad Brighton in den Sechziger Jahren: Mods und Rocker erobern mit Vespas und Motorrädern die Straßen. In der Unterwelt herrschen Gewalt und heftige Bandenkriege. Dies ist auch die Welt von Pinkie (Sam Riley), der sich vom Kleinganoven zum Bandenboss skrupellos hocharbeitet. Er scheint für den Job des Schurken geboren zu sein. Doch auch ein von ihm ausgeübter Mord bleibt nicht ohne Folgen. Erst recht nicht, wenn ihm eine Zeugin zum Verhängnis werden könnte.
Brighton Rock ist nicht die erste Verfilmung von Graham Greenes 1938 erschienenem gleichnamigen Literaturklassikers, dessen Titel auf Deutsch mit Am Abgrund des Lebens übersetzt wurde. Der britische Regisseur John Boulting drehte bereits 1947 einen erfolgreichen Film Noir daraus. Nun hat sich Debütregisseur Rowan Joffe, den man als Drehbuchautor von 28 Days Later und The American kennen könnte, Greenes Roman vorgenommen und in die Sechziger Jahre verlegt.

Der Film beginnt mit einem Mord: Pinkies Ziehvater und Gangsterboss Kite (Geoff Bell) wird von der rivalisierenden Bande um den mächtigen Mobster Colleoni (Andy Serkis) umgebracht. Pinkie weiß wer der Mörder ist und will Rache. Bei einem Kampf unter dem Pier erschlägt er wie im Wahn seinen Widersacher Hale (Sean Harris) – mit fatalen Folgen. Kurz vor der Tat ist ein Foto entstanden, das ihm zur Verhängnis werden und zur Todesstrafe ausliefern könnte. Das Foto gehört Rose (Berlinale-Shooting-Star Andrea Riseborough), einer schüchternen Kellnerin, die völlig ahnungslos ist, warum sich Pinkie mit ihr einlässt.

Für Rose ist es Liebe auf den ersten Blick, für Pinkie eiskalte Berechnung. Pinkie macht ihr Avancen, aber nur um das Foto zu bekommen und sie vor dem Reden zu bewahren. Pinkie geht sogar so weit, dass er Rose von ihrem störrischen Vater für 150 Pfund freikauft und heiratet. Es ist schon hart, einen ganzen Film lang dabei zuzusehen, wie ein armes, unschuldiges Mädchen ins Verderben rennt. Wie gern man sie davor bewahren möchte. Im Film übernimmt das Roses Arbeitgeberin, die Gastronomin Ida Arnold (brillant: Helen Mirren), die als eine Art Mutterersatzfigur für Rose herhält. Ida war außerdem mit dem Hale, dem Opfer, befreundet und hat daher doppeltes Interesse daran, Pinkie der Polizei auszuliefern.

Müsste man den Filmen mit wenigen Worten umschreiben, dann trifft „eine Liebesgeschichte, die keine ist“ vielleicht am besten zu. Aber will uns das der Film erzählen? Oder geht es vielmehr darum aufzuzeigen, wozu ein Mensch fähig ist, wenn er seine eigene Haut retten will. Darum, dass die Furcht vor dem Strang die einzig essenzielle Motivation für Pinkies verzweifelte Versuche ist, Zeugen seines Rachemordes zu beseitigen.

Pinkie ist grob, kaltschnäuzig, ein Ekel – aber all das empfindet man als Zuschauer nicht für ihn. Denn er ist auch cool, charmant und einsam. Und er wird so wundervoll von Sam Riley (Control) verkörpert, dem die Rolle wie auf den Leib geschrieben ist. Überhaupt ist die Besetzung des Films wunderbar gelungen. Andrea Riseborough (Nebenrolle in Happy-Go-Lucky) kann es locker mit Keira Knightley oder Carey Mulligan aufnehmen. Oscar-Preisträgerin Helen Mirren (Die Queen) glänzt wie immer auf der Leinwand. In einer Nebenrolle brilliert John Hurt als Idas Sidekick.

Schauplatz sind die Promenade und der Pier von Brighton, das mittlerweile jedoch so sehr modernisiert wurde, dass Joffe im nahe gelegenen Eastborne gedreht hat. Dort sieht es noch heute so aus, als sei die Zeit in den Sechzigern stehen geblieben. Die Farben der Gebäude sind in die Jahre gekommen und so verblichen, dass sie perfekt zur dunklen, ausgewaschenen Bildsprache von Brighton Rock passen. Es sind die Bilder von Kameramann John Mathieson, der sich mit Filmen wie Gladiator (2001) oder Robin Hood (2010) einen Namen gemacht hat. Mathieson gilt als ausgewiesener Kenner des Film Noir. Bei Drehen nutzte er unter anderen Kameralinsen und Equipment aus den Sechzigern.

Joffe hat das mit dem Film Noir gut hinbekommen: düstere Bilder, verbitterte Figuren, pessimistische Weltsicht. Er zeigt weniger körperliche als psychische Gewalt. Das Ende ist ein bisschen zu pathetisch und vorhersehbar. Und es hinterlässt kein schönes Gefühl, mit dem man das Kino verlässt. Armes Mädchen, böser Gangster – mit dieser Formel kann man nicht viel falsch machen, aber einen leider auch nicht unbedingt vom Hocker reißen.

Brighton Rock

Das britische Seebad Brighton in den Sechziger Jahren: Mods und Rocker erobern mit Vespas und Motorrädern die Straßen. In der Unterwelt herrschen Gewalt und heftige Bandenkriege. Dies ist auch die Welt von Pinkie (Sam Riley), der sich vom Kleinganoven zum Bandenboss skrupellos hocharbeitet.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

♥aUsSiE♥ · 18.02.2011

Voll intressant, und cool. schau ich mir an...