Boys in the Trees

Eine Filmkritik von Falk Straub

Teen Wolf?

Was der Hülle nach wie ein weiterer Teeniehorror aussieht, trägt ein metaphorisches Coming-of-Age-Drama mit fantastischen Einsprengseln im Innern. Um jugendliche Ängste geht es in Nicholas Versos sehenswertem Genremix „Boys in the Trees“ dennoch.
Halloween: Für Corey (Toby Wallace), Jango (Justin Holborow) und ihre Skaterclique ist diese Nacht der Streiche und Leckerbissen nur eine Erfindung der Amerikaner, um Süßigkeiten zu verkaufen, im Jahr ihres Schulabschlusses aber eine willkommene Gelegenheit, um um die Häuser zu ziehen. Ihre Mitschülerin Romany (Mitzi Ruhlmann), die für Corey schwärmt, ohne dass dieser davon Kenntnis nähme, wünscht sich ein wenig Schnee zu all dem Spuk. Doch Boys in the Trees spielt in Australien. Und dort ist an diesem 31. Oktober 1997 bekanntlich Frühling. Ihren Schnee soll Romany dennoch bekommen. Denn in dieser Nacht scheint alles möglich.

Regisseur und Drehbuchautor Nicholas Verso hat die Handlung seines zweiten abendfüllenden Spielfilms kurz vor der Jahrtausendwende angesiedelt und mit reichlich Rockmusik aus jenen Tagen unterlegt. Das hat zum einen rein pragmatische Gründe. In einer Zeit vor allgegenwärtigen Mobiltelefonen wirkt eine Handlung schlüssig, in der Wege sich trennen, nur zufällig kreuzen und erst am Ende wieder zusammenführen. Heute genügte ein Anruf, um die Logik zu zerstören. Zum anderen sieht es einfach verdammt gut aus, wenn Corey & Co., perfekt auf die Gitarrenriffs und Trommelschläge abgestimmt, in farbenprächtigen Nachtaufnahmen Pirouetten mit ihren Skateboards und Fahrrädern vollführen. Dass Boys in the Trees nicht zum Musikvideo verkommt, liegt an den talentierten Schauspielern und den guten Dialogen. Denn Verso erzählt abseits seiner visuellen Opulenz tatsächlich eine Geschichte mit Figuren, die sich mehr zu sagen haben als die üblichen adoleszenten Belanglosigkeiten.

Eigentlich will Corey weg, weg vom alleinerziehenden Vater, weg von der Clique. In New York will er sein Hobby zum Beruf machen und Fotografie studieren. Doch Jango hat etwas dagegen, funkt Corey mit kindlichem Trotz in allen Lebenslagen dazwischen. Als Corey auf seinen alten Freund Jonah (Gulliver McGrath) trifft, beginnt eine lange Reise durch die Nacht. Einst kletterte er mit Jonah auf Bäume, träumte sich in eine Fantasiewelt. Mit der Pubertät zerriss dieses Band. Nie der Größte, Stärkste oder Schönste, galt der sensible Jonah schnell als Freak, wurde als „Schwuchtel“ beschimpft und ausgegrenzt. Corey schloss sich Alphamännchen Jango an. An Halloween kommt er nun nicht mehr drumherum, sich mit Jonah und seiner eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Auf dem Nachhauseweg spielen die beiden ein letztes Mal ein altes Spiel aus Kindertagen, in dem es schaurige Mutproben zu bestehen gilt.

Nicholas Verso setzt nicht nur seine jungen Protagonisten, sondern auch deren Vorstellungskraft einfallsreich in Szene. Vor den Augen der Zuschauer erweckt er Jonahs Gruselgeschichten und Erinnerungen zum Leben, bis sich die erdachte Welt ihren Weg in die reale bahnt. Jonahs Metapher für das Erwachsenwerden in einem feindseligen Umfeld, in dem ein Mann dem andern ein Wolf ist und man entweder mit dem Rudel heult oder gefressen wird, ist nicht neu, nicht mal sonderlich originell, entwickelt durch Versos Stilmix aber seinen ganz eigenen Charme. Auch die Auflösung der Geschichte kommt einem bekannt vor, erinnert sie doch an einige Filme, die zu jener Zeit entstanden, in der der Film spielt.

Am Ende muss sich Corey entscheiden, ob er weiter mit den Wölfen heulen will oder seinem Rudel den Rücken kehrt. Nicholas Verso findet auch hierfür das passende Bild. Es hängt bei Corey an der Wand.

Boys in the Trees

Was der Hülle nach wie ein weiterer Teeniehorror aussieht, trägt ein metaphorisches Coming-of-Age-Drama mit fantastischen Einsprengseln im Innern. Um jugendliche Ängste geht es in Nicholas Versos sehenswertem Genremix „Boys in the Trees“ dennoch.
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