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Ein Biopic über die legendäre Band Queen und Freddie Mercury ist ein schwieriges Unterfangen. Wie hat „Bohemian Rhapsody“ diese Aufgabe gemeistert?

Bohemian Rhapsody (2018)

Eine Filmkritik von Maria Wiesner

It will rock you

Einen Film über Queen zu drehen, hat viele Gefahren und einen klaren Vorteil: Der Soundtrack, so viel steht gleich am Anfang fest, wird fantastisch. Während das Logo von 20th Century Fox goldig die Leinwand vereinnahmt, erklingt die Fanfare mit Brian-May-Gitarre und Roger-Taylor-Schlagzeug. Die beiden ehemaligen Queen-Mitglieder haben sich noch einmal ins Studio begeben, um den Soundtrack zum Biopic „Bohemian Rhapsody“ aufzunehmen. Musikalisch kann hier also überhaupt gar nichts schiefgehen.

Und trotzdem war da etwas Angst: Rami Malek, bislang den meisten als Hacker Elliot Alderson in der Serie Mr. Robot aufgefallen, wäre nicht der erste Kandidat für die persönliche Bestenliste eines Freddie-Mercury-Lookalike-Wettbewerbs gewesen. Überhaupt ist es für einen Schauspieler ja immer eine Herausforderung, eine Ikone zu spielen, die obendrein noch so stark in der Popkultur präsent ist, wie der charismatische Leadsänger von Queen. Doch Malek wirft sich hier in die Rolle wie Gary Oldman in seinen Darkest-Hour-Churchill: Er imitiert Stimmlage, Augenaufschlag, ja selbst den Hüftschwung und schon nach wenigen Minuten ist man davon überzeugt, dass er einfach Freddie ist. 

Neben solchen Feinheiten im Spiel des Hauptdarstellers sind es besonders die Details, die den Film so gut machen. Regisseur Bryan Singer muss Stunden des Originalvideomaterials von Queen-Auftritten durchgearbeitet haben. Wenn er Malek auf Bühne schickt, um den Live-Aid-Auftritt der Band im Wembley-Stadion zu imitieren, sitzt nicht nur das Nietenarmband an Freddies Oberarm perfekt, auch jeder Pepsi- und Bierbecher steht auf ebenjenem Fleck auf dem Klavier, wo er hingehört. Eben da, wo man ihn schon hundertmal gesehen hat, wenn man sich die Videos angesehen hat. Die Kunst liegt darin, aus diesem Auftritt, der im kollektiven Gedächtnis sitzt, eine Filmszene zu machen. Ihn durch Schnitt- und Kameraarbeit ins Jetzt zu holen und das Kinopublikum noch einmal in den Wembley-Kessel zu schicken, diesmal aber noch näher an Mercury dran, als es die Livekameras der 1980er Jahre erlaubten.

Dieses Konzert macht Singer zum Schlüsselmoment für das Finale des Films. Kurz teasert er diesen Tag an. Prologhaft beginnt der Film mit Freddies Vorbereitungen für den Auftritt, von dem man zu der Zeit noch nicht weiß, dass es der wichtigste Tag seines Lebens werden wird: Man sieht ihn aufstehen, im Seidenkimono durch seine Londoner Villa spazieren, mit Jeans und verspiegelter Piloten-Ray-Ban-Brille im Rolls-Royce sitzen und sich hinter der Bühne warm hüpfen, während draußen tausende Fans kreischen. Warum dies der wichtigste Tag wird – es geht nicht nur um Musik, sondern natürlich auch um eine Liebesgeschichte –, verrät der Film erst am Ende. Dass sich im Prolog der Erfolg der Band und des Sängers schon andeutet, liegt auch an der Geschichte, die Singer hier erzählen will: Es ist nicht einfach nur das Biopic über eine Band, die entgegen aller Voraussagen die Charts stürmte und Fans auf der ganzen Welt begeisterte; es ist vielmehr die Geschichte eines jungen Mannes, der in Sansibar in einer Perserfamilie geboren wurde und in London aufwuchs, der qua Geburt ein Außenseiter in der britischen Gesellschaft war und durch die Entscheidung für die Musik mit seinem strengen Vater brechen musste, der homosexuell war und trotzdem zeit seines Lebens eine enge Beziehung zur früheren Geliebten Mary Austen (Lucy Boynton) hielt. Singer kennt sich mit Stoffen über Außenseiter, die zu Helden werden, aus, er hat viele der X-Men-Filme gedreht. 

Dass hier nichts verkitscht wird, liegt aber auch am Drehbuch von Anthony McCarten, der in Darkest Hour und Theory of Everything bereits sein Händchen für Biografisches unter Beweis stellte. Warum hier nun explizit Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller hervorgehoben werden? Weil Bohemian Rhapsody fast schon exemplarisch zeigt, was herauskommt, wenn an diesen drei zentralen Punkten des Filmemachens Menschen beteiligt sind, die ihr Handwerk verstehen. Besonders deutlich wird das etwa an folgender Szene: Die Band hat sich in ein Häuschen auf dem Land zurückgezogen, um eine Platte aufzunehmen. Freddie will mehr Opernelemente und stiftet zu musikalischen Experimenten an. Die vier Musiker diskutieren über die Songs, die jeder geschrieben hat, und Roger Taylor (Ben Hardy) rastet aus, weil niemand sein Lied – eine Liebeserklärung an sein Auto – gut findet. Auf dem Höhepunkt des Streits schnappt er sich die Kaffeemaschine und will sie den anderen ins Gesicht werfen, was in großem Geschrei („Nicht die Kaffeemaschine!“) und mit Freddies Diva-Satz endet: „Roger, in der Band ist nur Platz für eine Drama-Queen.“ All das kann furchtbar leicht ins Klischee kippen, tut es dank dieser Profis aber nicht.

Die zweite Szene, die als Beweis für das hervorragende Zusammenspiel von Singer, McCarten und Malek dient, ist die gekonnte Inszenierung von künstlerischer Kreativität. Daran haben sich in diesem Kinojahr schon so einige Filmemacher erfolglos versucht, zuletzt Donnersmarck in seinem Werk ohne Autor, in dem Kreativität auf magische Weise durchs offene Fenster hereingeweht wird. Statt solch esoterisch vermurkster Versuche lässt Regisseur Singer Freddie in einer sehr kurzen Sequenz einfach am Klavier sitzen, eine Melodie anstimmen und darüber gedankenverloren seine Zeilen formulieren, um über den Worten „Sometimes we shall never be born at all“ zusammenzuzucken. Erschrocken von der Wucht der eigenen Worte und kurz sprachlos darüber. Jeder, der schon einmal geschrieben hat, weiß, dass das ziemlich nah an die Realität herankommt. 

Von solchen kleinen Momenten gibt es viele in Bohemian Rhapsody. Dank ihnen gelingt es, nicht einfach eine Biografie, sondern eine Geschichte über Freundschaft, Liebe und Musik zu erzählen. Zusammen mit dem hervorragenden Soundtrack macht das Bohemian Rhapsody zu einem Film, nach dessen Ende man sofort zuhause die Lieblingsplatte von Queen noch einmal auflegen will.

Bohemian Rhapsody (2018)

„Bohemian Rhapsody“ erzählt von den Jahren bis hin zu Queens legendärem Auftritt beim Live Aid Konzert 1985. Rami Malek schlüpft dafür in die Rolle von Frontman Freddie Mercury.

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Meinungen

Dagmar · 23.12.2020

Ein beeindruckender, berührender Film. Die Darsteller, allen voran Rami Malek, einfach fantastisch !!!
Freddie, die Band Queen, unvergessen !!!!!

RR · 27.12.2018

Super Film, schaue ich mir gerne noch einmal an. Die Dialoge hätten etwas weniger sein können und dafür mehr Musik - aber das sehen andere wieder anders - und hindert mich nicht daran, 5 Sterne zu vergeben!!!