Bloom

Auf den Spuren von James Joyce

Wenn Experten nach dem wohl schwierigsten Werk der Literaturgeschichte gefragt werden, versammeln sich auf den ersten Ränge stets zwei Werke: Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften und Ulysses von James Joyce. Auf eine Verfilmung des ersten Buchs wartet die Filmwelt bislang vergebens, nun allerdings hat sich der irische Regisseur Sean Walsh an die bereits zweite Verfilmung des Tages im Leben des Anzeigenakquisiteurs Leopold Bloom gemacht – ein mutiges Unternehmen, denn die Adaption des Bloomsday sind geradezu dazu prädestiniert, für jeden Filmemacher zu einem Doomsday zu werden.

Am Morgen des 16. Juni 1904 (ein Datum, das noch heute als so genannter Bloomsday in Irland gefeiert wird, wenngleich diesem Festtag durchaus auch marketingtechnische Erwägungen zugrunde liegen) erwacht Leopold Bloom (Stephen Rea), ein Ire jüdischer Herkunft, und beginnt seinen Tag. Gleich dem griechischen Sagenhelden Odysseus (englisch = Ulysses) irrt er durch die Straßen von Dublin, kauft beim Metzger eine Niere, kehrt zurück, bringt seiner Frau (= Penelope, dargestellt von Angeline Ball) die Post ans Bett. Danach macht er sich abermals auf den Weg, besucht den Gottesdienst, geht in ein öffentliches Badhaus, besucht eine Beerdigung, geht ins Büro, dann anschließend wieder auf die Straße und nimmt seine unsteten Wanderungen wieder auf. Dabei trifft er immer wieder auf den jungen Künstler Stephen Dedalus (= Telemach; Hugh O’Conor), steigt Frauen hinterher, besäuft sich auf einer Party in einem Entbindungsheim und landet schließlich in einem Puff. Was die nun eigentlich recht belanglose Handlung spannend macht, ist vor allem die Art und Weise, wie James Joyce diesen eigentlich ganz normalen 18-stündigen Tag in Szene gesetzt hat – als einen quasi inneren Monolog voller intertextueller Bezüge, in unterschiedlichen literarischen Gattungen gestaltet, ein Labyrinth von Gedanken, Fetzen und Stimmungen, gleichermaßen im Historischen wie auch im Hier und Jetzt verortet. Kein Wunder also, wenn solch ein Werk sich dem begierigen Zugriff der Filmemacher verweigerte.

Sean Walsh ergeht es da kaum anders. Gewiss gibt es einfachere Aufgaben als die Verfilmung von James Joyce’ Meisterwerk, denn das Buch galt lange Zeit als nahezu unübersetzbar (gleichwohl es 30 Sprachen übertragen wurde) und für jegliche Übertragung auf andere Medien als denkbar ungeeignet. Vielleicht gelingt es ja der neuen Logik des Netzwerkes und non-linearer audiovisueller Medien eines Tages, das Wort- und Gedanken-Gespinst von Joyce adäquat zu bearbeiten. Doch für Walshs denkbar konventionell gehaltenen Film haben sich die Unkenrufen der Kulturpessimisten anscheinend bestätigt, dass eine Verfilmung nur scheitern kann. Mag sein, dass der Film manchem von allzu großer Kenntnis über die Romanvorlage verschont Gebliebenen mit prall-derber Fleischlichkeit und zugegeben gelungener Kameraarbeit Freude bereitet, doch Joyce bleibt dabei auf der Strecke, so dass sich empfehlen würde, in den Credits „Basierend auf einer Idee von James Joyce“ oder „Nach Motiven von James Joyce“ zu schreiben. Denn das Spezifische und Originelle von Ulysses bleibt weitgehend auf der Strecke, der Stream of Consciousness mittels Voice-over ist definitiv ein naheliegendes, allerdings in der Umsetzung kein sonderlich innovatives Mittel, das auch hier mehr stört als nützt. So fehlt dem Film genau das, was die Romanvorlage ausmacht – künstlerischer Mut, neue Wege zu gehen, Inspiration und Genialität. Doch vielleicht ist es schon als Erfolg zu verbuchen, dass sich nach 1967 wieder jemand an die Verfilmung des unverfilmbaren Werkes wagte. Doch das Ergebnis bestätigt den Ruf des Jahrhundertwerks, das gegen alle Filmkonventionen verstößt und sich so einem Medium verweigert, das ungeniert Literatur frisst, verdaut und wieder ausscheidet.

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Wenn Experten nach dem wohl schwierigsten Werk der Literaturgeschichte gefragt werden, versammeln sich naturgemäß auf den ersten Ränge stets zwei Werke: Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften und Ulysses von James Joyce.

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