Blood in the Mobile (2010)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die schmutzigen Machenschaften der Handyhersteller

Was wären wir ohne unsere Handys? Rund fünf Milliarden Mobiltelefone gab es im Jahre 2010 weltweit – Tendenz weiter steigend. Und weil die Innovationszyklen in dieser Branche immer kürzer werden, ist nach spätestens zwei Jahren Schluss, dann – so offerieren es die Verträge vieler Mobilfunkanbieter – gibt es sowieso ein neues Modell mit dem letzten technischen Schnickschnack. Und dann steht man als Konsument schnell vor der Qual der Wahl, denn allein die schiere Anzahl der offerierten Modelle mit unterschiedlichsten Features, Funktionen, Betriebssystemen und Designs stellt einen vor erhebliche Schwierigkeiten.

Doch das sind alles Luxusprobleme im Vergleich zu dem, wovon der aus Dänemark stammende Dokumentarfilmer Frank Piasecki Poulsen in seinem Film Blood in the Mobile erzählt. Denn ein Großteil der Mineralien, die für die Herstellung der Handys benötigt werden, stammen aus dem Osten der von einem verheerenden Bürgerkrieg zerrütteten Demokratischen Republik Kongo und werden dort unter unglaublichen Bedingungen abgebaut. Weswegen sie in Anlehnung an die Diamanten, die in anderen Ländern des afrikanischen Kontinents helfen Konflikte zu finanzieren, „Bluterze“ genannt werden.

Der Konflikt im Kongo gilt als eine der blutigsten Auseinandersetzungen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, in den letzten 15 Jahren hat er fünf Millione Menschen das Leben gekostet. Und selbst jetzt, da langsam die Hoffnung auf Frieden wächst in dieser Region, ist von einer gerechten Verteilung des Wohlstandes aus den immensen Bodenschätzen des Landes keine Rede. Zerrüttet vom jahrzehntelangen Bürgerkrieg ist das Land komplett heruntergewirtschaftet, ein Großteil der Bevölkerung lebt in bitterster Armut.

Wie verträgt sich nun die Tatsache, dass diese unter inhumanen Bedingungen abgebauten „Bluterze“ für die Handyproduktion verwendet werden, mit den humanen und menschenfreundlichen Werbebotschaften („Connecting People“) und den vollmundigen Selbstverpflichtungen der Handyhersteller? Dies ist die Frage, die Frank Poulsen in seinem Film umtreibt, die Grundprämisse, die ihn von der hellen Glitzerwelt einer Messe der Mobilfunkbranche bis in den Ostkongo führt. Dort, in der Mine von Bisie, die von bewaffneten Gruppen kontrolliert wird und vor deren Besuch Poulsen und sein Team mehrmals eindringlich gewarnt wurden, wird das ganze Ausmaß der Unterdrückung und Ausbeutung erfahrbar in Bildern, die man so schnell nicht mehr los wird. Teilweise wird mit bloßen Händen – viele von ihnen sind noch Kinder – nach den Metallen gegraben, es herrscht eine nahezu vollkommene Finsternis in den ungenügend gesicherten Stollen, die nur von den Grubenlampen, die die Arbeiter auf dem (natürlich ungeschützten) Kopf tragen, erhellt werden. Die Schlafstätten sind Behausungen, die von Armut und nackter Verzweiflung künden, denn die „Schutzgebühren“ und „Steuern“, die die Wächter erheben, lassen eine Abreise als nahezu möglich erscheinen. Aus der Hoffnung, mit dem verdienten Geld die zu Hause gebliebenen Familien ernähren zu können, wird ein Dasein, das in fataler Weise an die längst überwunden geglaubte Sklaverei vergangener Jahrhunderte erinnert.

Das Problem der „Bluterze“ und die Verstrickung der Handyhersteller in den Kreislauf aus Gewalt und Ausbeutung im Ostkongo stellt dabei keineswegs eine sensationelle Enthüllung dar, sondern ist in Wirklichkeit in Politik und Wirtschaft seit mindestens zehn Jahren bekannt. Nur kümmert sich anscheinend niemand darum, woher die seltenen Metalle kommen und unter welchen katastrophalen Umständen sie abgebaut werden.

Entfernt erinnert Frank Poulsens Ansatz an Michael Moores Art, Filme zu machen. Doch der Däne ist trotz hoher Screentime nicht annähernd so selbstverliebt und profilneurotisch wie der Amerikaner. Ebenso erinnert sein durchaus persönlich gehaltener Ansatz – Poulsen ist seit vielen Jahren Benutzer eines Nokia-Handys und bohrt dementsprechend nur bei diesem Hersteller nach – an Moores Art, seinen Themen auf den Grund zu gehen und selbst vor einem Besuch der Vorstandsetagen (oder zumindest dem Versuch, dorthin vorzudringen) nicht zurückzuschrecken. Doch selbst mit den Fakten und Bildern aus dem Kongo konfrontiert, weigert sich Nokia, die Verwicklungen in die schmutzigen Geschäfte mit den „Bluterzen“ zuzugeben: „Wir haben nichts zuzugeben“, so heißt es am Ende lapidar trotz der vorherigen Beteuerungen, das Problem anzugehen.

Es ist das unbestreitbare Verdienst von Frank Poulsens Film, diese Hintergründe und die fadenscheinigen Ablenkungsmanöver und Nebelkerzen des weltweit größten Handyherstellers Nokia deutlich gemacht zu haben. Wer ein Mobiltelefon einer anderen Marke besitzt, sollte sich nun nicht zu früh freuen – was Blood in the Mobile am Beispiel Nokias vorgeführt hat, gilt vermutlich in gleichem Maße für alle anderen Hersteller. Es wird Zeit, dass sich die Unternehmen endlich einmal auf ihre globale und soziale Verantwortung besinnen und dafür sorgen, dass sie nicht länger Kriege mitfinanzieren und himmelschreiendes Unrecht zumindest dulden, wenn nicht gar fördern.
 

Blood in the Mobile (2010)

Was wären wir ohne unsere Handys? Rund fünf Milliarden Mobiltelefone gab es im Jahre 2010 weltweit – Tendenz weiter steigend. Und weil die Innovationszyklen in dieser Branche immer kürzer werden, ist nach spätestens zwei Jahren Schluss, dann – so offerieren es die Verträge vieler Mobilfunkanbieter – gibt es sowieso ein neues Modell mit dem letzten technischen Schnickschnack.

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