Blaubeerblau

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Durch den Tod zu neuem Leben

„Fritte“ wurde Fritjof (Devid Striesow) in der Schule immer genannt, heute spötteln die Freunde aus dem gemeinsam absolvierten Architekturstudium in anderer Form über den linkischen Mann Anfang 30 und nennen ihn „Friedhof“. Dabei ist er dank seines kindlich-versponnenen Gemüts überhaupt kein Trauerkloß, sondern allenfalls ein wenig seltsam. Eine Mischung aus leichten Autismus, der Aura des ewigen Muttersöhnchens und einer gewaltigen Portion Naivität – das sind die recht indifferenten Symptome, die ihn kennzeichnen.
Eigentlich hat es sich Fritjof damit recht gut eingerichtet, die Arbeit als angestellter Architekt unter der Fuchtel seiner resolut-charmanten Chefin Corinna (Dagmar Manzel) nimmt ihm ebenso jede Verantwortung wie die Wäsche, die seine Mutter ihm immer noch besorgt, obwohl der Junge längst aus dem Haus ist. Und sollte es einmal brenzlig werden wie im Fall seiner derzeitigen Freundin Marie (Lisa Potthoff), versteht es „Fritte“ geschickt, sich ihren Wünschen nach mehr Nähe zu entziehen. Das alles könnte ewig so weitergehen, doch dann kommt ein Auftrag, der sein bis zur Penibilität geordnetes Leben aus den Bahnen schmeißt: Weil er nun mal der beste (und einzige) Mann seiner Chefin ist, soll er die Planungen für den Umbau eines Sterbehospizes übernehmen. Und dazu ist zum großen Schreck Fritjofs nötig, dass er vor Ort höchstselbst das Aufmaß übernimmt. Doch das Sterben und der Tod sind ebenso wenig seine Baustelle wie (wenn man es genau betrachtet) das „ganz normale Leben“ — nur eben noch ein wenig beängstigender.

Es kommt wie es kommen muss: Die Begegnung mit dem Tod eröffnet „Fritte“ einen ganz neuen Blick auf das, was man Leben nennt. Und das liegt nicht zuletzt daran, dass einer der Bewohner des Hospizes ausgerechnet sein alter Schulfreund Hannes (Stipe Erceg) ist. Der war früher nicht nur die coolste Sau der Schule, sondern zudem der Bruder von Sabine (Nina Kunzendorff), in die Fritjof unsterblich verknallt war. Und dann steht sie plötzlich ebenso leibhaftig vor ihm, wie er dieser Unfassbarkeit namens Tod gegenübersteht.

Geht das eigentlich, einen leichten Film über den Tod zu machen? Angesichts von überwiegend ernsten Werken wie Halt auf freier Strecke von Andreas Dresen oder jüngst Liebe von Michael Haneke (von Hollywood-Kitsch wie Das Beste kommt zum Schluss mal ganz abgesehen) stellt sich die Frage nicht ganz zu Unrecht. Rainer Kaufmann, der Mitte der 1990er Jahre mit Filmen wie Stadtgespräch und Die Apothekerin mal einer der ganz Großen des Kinogeschäftes war, tritt mit seinem Fernsehfilm den Beweis an, dass das geht. Ohne falsche Sentimentalitäten, stattdessen mit viel Sinn für absurde Situationen erzählt Blaubeerblau zwar in jedem Moment vorhersehbar, aber mit viel Charme von einem, der auszog, über eine Begegnung mit dem Tod ins Leben zu finden. Dabei stört es nur teilweise, dass man eigentlich nie so recht weiß, was mit diesem Fritjof nun wirklich los ist. Devid Striesow jedenfalls verdeckt durch sein Spiel die offensichtlichen Schwächen des Drehbuchs, dass an manchen Stellen der karikaturenhaften Übertreibung den Vorzug vor einer fundierten Figurenzeichnung gibt.

Allerdings – und das ist wieder einmal der große Knackpunkt an Blaubeerblau – merkt man leider auch am Ende des Filmes deutlich, dass Kaufmann seit langer Zeit ausschließlich fürs Fernsehen arbeitet und dass hier einiges zurechtgebogen wurde in Richtung TV-Dramaturgie. Statt es in der finalen Szene bei einer Andeutung zu belassen und auf die Fantasie des Zuschauers zu vertrauen, verlässt der Film in den letzten Sekunden den Pfad des bislang wohltuenden Pragmatismus und schwingt sich auf zu transzendentalen Höhen, in denen die Toten mit den Lebenden sprechen. Das passt dann leider überhaupt nicht mehr, wodurch der Film genau jenen Dreh ins Kitschige bekommt, den er die ganze Zeit zuvor auf wohltuende Weise vermieden hat.

Blaubeerblau

„Fritte“ wurde Fritjof (Devid Striesow) in der Schule immer genannt, heute spötteln die Freunde aus dem gemeinsam absolvierten Architekturstudium in anderer Form über den linkischen Mann Anfang 30 und nennen ihn „Friedhof“. Dabei ist er dank seines kindlich-versponnenen Gemüts überhaupt kein Trauerkloß, sondern allenfalls ein wenig seltsam. Eine Mischung aus leichtem Autismus, der Aura des ewigen Muttersöhnchens und einer gewaltigen Portion Naivität – das sind die recht indifferenten Symptome, die ihn kennzeichnen.
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Meinungen

Margrit Epli · 03.10.2018

An wen muss ich mich wenden wenn ich diesen Film in unserer Gemeinde laufen lasen will zugunsten des neuen Hospiz Zentralschweiz das ende 2019 eröffnet wird?
Mit freundlichen Grüssen Margrit Epli aus der Schweiz