Bittere Ernte

Eine Filmkritik von Falk Straub

Kriegsgefangene

Was Krieg, falsch verstandener Glaube und Alkohol aus einem machen können, zeigt die polnische Regisseurin Agnieszka Holland in Bittere Ernte. Vier Jahre nach ihrer Emigration nach Paris wurde ihr in Deutschland entstandenes Drama als bester fremdsprachiger Film für den Oscar nominiert.
Agnieszka Holland ist viel herumgekommen. 1948 in Warschau geboren studierte sie an der Prager Filmhochschule FAMU Regie, bevor sie sich in den 1970er Jahren ihre ersten Sporen an polnischen Theatern und beim Fernsehen erwarb. Sie war Regieassistentin bei Krzysztof Zanussi, schrieb Drehbücher für Andrzej Wajda und führte schließlich selbst fürs Kino Regie. Nach ihrer Emigration 1981 nach Paris drehte sie Filme in Frankreich (Olivier, Olivier), Deutschland (Hitlerjunge Salomon) und den USA (Der geheime Garten, Der Klang der Stille). Momentan arbeitet sie hauptsächlich fürs amerikanische Fernsehen (u.a. The Wire, Cold Case, Treme).

Trotz aller Vielfalt in ihrem Schaffen führt es sie in regelmäßigen Abständen – wie zuletzt bei In Darkness (2011) – zu einem Thema zurück: dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust. Auch das 1985 in Westdeutschland entstandene Drama Bittere Ernte handelt davon. Als der Jüdin Rosa (Elisabeth Trissenaar) im Winter 1942/1943 in Oberschlesien auf dem Weg in ein Konzentrationslager die Flucht aus einem Güterwaggon gelingt, findet sie Unterschlupf beim streng katholischen Bauern Leon (Armin Mueller-Stahl). Einst Sohn eines armen Stallmeisters ist Leon zu Wohlstand gekommen. Schnell stellt sich jedoch heraus, dass seine Hilfsbereitschaft nicht nur auf christlicher Nächstenliebe und sein Wohlstand nicht nur auf harter, ehrlicher Arbeit fußen. Ein bedrückendes Kammerspiel um Macht und Abhängigkeit beginnt.

Die Bilder des Kameramanns Jozef Ort-Snep fangen die Enge gut ein, in der Leon und Rosa sowohl physisch wie auch psychisch hausen. Montage und Mise en Scène leiden hingegen unter der Beschränkung der Kadrage. So holpert es bei manchen Schnitten – sei es innerhalb einer Bewegung oder bei Gesprächen – gewaltig. Die Kamera muss zum Teil nachjustieren, um Charaktere nicht aus dem Blick zu verlieren. Hinzu kommt die eher mittelmäßige Qualität der auf DVD präsentierten Kopie. Bei den wenigen Außenaufnahmen rauscht der helle Horizont oft stark.

Dem Spiel der Schauspieler tut dies keinen Abbruch. Trissenaar und Mueller-Stahl überzeugen mit einer Leistung, die niemals poltert, sondern auf die leisen Zwischentöne setzt und die innere Zerrissenheit einer Epoche in ihren Charakteren spiegelt. Holland zeigt die beiden als Gefangene der Umstände, aber letztlich auch immer als Gefangene ihrer selbst. In einer Ausweglosigkeit zwischen Religion und Alkohol (Leon) sowie Konzentrationslager und bäuerlichem Gefängnis wählt Rosa letztlich die einzig rational erscheinende Lösung.

Ganz am Schluss des Films erhält Leon Post von einer Jüdin, die es nach Amerika geschafft hat. Neben Verfolgung und Vernichtung handelt Bittere Ernte stets auch von versuchter, gescheiterter und gelungener Emigration. Wie für Agnieszka Holland beginnt so zumindest für eine ihrer Figuren ein neues Leben im Westen.

Bittere Ernte

Was Krieg, falsch verstandener Glaube und Alkohol aus einem machen können, zeigt die polnische Regisseurin Agnieszka Holland in „Bittere Ernte“. Vier Jahre nach ihrer Emigration nach Paris wurde ihr in Deutschland entstandenes Drama als bester fremdsprachiger Film für den Oscar nominiert.
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