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Die Berliner Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ zieht 2018 von der Peripherie ins Zentrum der Hauptstadt. Somit positioniert sich die ehemalige DDR-Lehranstalt selbstbewusst in der deutschen Kulturlandschaft der Gegenwart. Lehrkräfte und prominente Absolventen, darunter Lars Eidinger, blicken zurück.

Bitte nach Mitte! (2019)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Eine Schauspielschule mit deutsch-deutscher Geschichte

Viel ist in diesen Tagen wieder die Rede vom Zusammenwachsen der deutschen Gesellschaft nach dem Mauerfall. Das 30-jährige Jubiläum dieses epochalen Ereignisses hat viele Deutsche aus Ost und West dazu veranlasst, zurückzublicken und Bilanz zu ziehen. Das tun in diesem Dokumentarfilm auch ehemalige Schüler*innen und Lehrkräfte der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, wenngleich aus einem anderen Grund. Im Sommer 2018 nämlich zieht die während der DDR-Epoche in Ostberlin beheimatete Ausbildungsstätte aus dem Viertel Oberschöneweide nach Berlin Mitte um.

Der Standortwechsel war hauptsächlich von der Schülerschaft mit hartnäckigen Protestaktionen erkämpft worden. Im Film skandiert eine Gruppe im sorgfältig eingeübten, bühnenreifen Sprechchor: „Baut unser Haus in Mitte! Bitte, bitte, bitte! …“. Die 1905 von Max Reinhardt gegründete Lehranstalt gilt als die älteste Schauspielschule Deutschlands und kann in ihrem neuem Domizil in der Zinnowitzer Straße erstmals alle ihre Ausbildungszweige von Regie bis zum Puppenspiel unter einem Dach vereinen. So würdigt der Umzug von der Peripherie ins Zentrum ihr Renommee und ihren Stellenwert für die Kunst. Die Schule Ernst Busch ist darüber hinaus, wie die Erinnerungen ehemaliger Schüler*innen und ihrer Lehrer*innen deutlich machen, auch ein Symbol für das Überwinden kultureller Gräben zwischen Ost und West.

Die Regisseurin des Films, Anne Osterloh, lässt im Vorfeld des Umzugs die Geschichte der Schauspielschule Revue passieren, aber nicht in Form eines drögen Vortrags, sondern anhand persönlicher Erzählungen von Leuten, die dort ausgebildet wurden, lehrten oder noch lehren. Beim Gang durch das fast schon leergeräumte alte Gebäude fühlt sich beispielsweise Leander Haußmann an seine Studienzeit von 1982 bis 1986 erinnert. Die Aufnahme an die Schule klappte erst im zweiten Anlauf, beim ersten riet man ihm, erst zur Armee zu gehen und reifer zu werden. Er erinnert sich an die „hedonistische Lebenseinstellung“, die er mit Kommilitonen teilte, den Hang, sich lustig zu machen, der ihn und die anderen auch „irgendwie unangreifbar“ gemacht habe dem DDR-Staat gegenüber mit seiner natürlich auch an der Schule präsenten Stasi.

Nina Hoss und Mark Waschke besuchten die Schule in den 1990er Jahren, als sie von der Schließung bedroht gewesen war. Der Senat habe sie mit der Universität der Künste zusammenlegen wollen, was jedoch auf entschiedenen Widerstand gestoßen sei, erinnern sie. Nicht nur Absolventen, auch Professoren erzählen von ihren Professoren oder Rektoren und Anne Osterloh rückt dazu Schwarz-Weiß-Fotografien oder Filmaufnahmen aus vergangenen Zeiten ins Bild. Sogar ein kurzer Filmausschnitt, auf dem der Namenspatron Ernst Busch, Jahrgang 1900, das Einheitsfrontlied singt, befindet sich darunter.

Eine zentrale Stellung nimmt in den Erinnerungen, die sich oft wie von selbst in der Unterhaltung zweier oder mehrerer Personen auf Fluren, Treppen oder sonstigen mit dem Umzug verbundenen Schauplätzen entwickeln, auch die Wende- und Nachwendezeit ein. Da ist die Rede von der ersten gemeinsamen Theaterproduktion mit einer westlichen Institution, dem Theaterhaus Stuttgart, für die 1990 in Ostberlin geprobt wurde. Dabei wurde den Beteiligten die unterschiedliche Spielweise deutlich, im Osten war mehr Handwerk gelehrt worden, im Westen ging es eher um kreative Freiheit und Offenheit.

Lore Stefanek, die von 1993 bis 2001 Professorin für Schauspiel an der Ernst Busch war, erzählt, dass sie die ersten Jahre dort als „absolutes Ausland“ empfand: „Man verstand sich nicht.“ Die Theaterleute aus dem Westen ließen die Bühne schwarz einfärben, wie sie das gewohnt waren, die Lehrer aus dem Osten konnten sich damit nur schwer anfreunden. Viele der alten Lehrkräfte waren auch schon, wie jemand sagt, „gegauckt“ worden, hatten ihre Posten nach der Wiedervereinigung verloren.

Lars Eidinger, der die Schule von 1995 bis 1999 besuchte, erzählt, wie es ihn erstaunte, dass sich die Leute dort die Hand gaben, anstatt sich mit Umarmungen oder Küsschen zu begrüßen. Im neuen Gebäude gibt Devid Striesow, auch er ein Ehemaliger, auf einer einsamen Bühne eine Kostprobe im Improvisieren. Anne Osterloh ist es gelungen, viel Geschichte in Form spannender Geschichten und Anekdoten in diesen nur einstündigen Film hineinzupacken. Er wirkt wie ein buntes, prall mit Leben gefülltes Album, das seine Betrachter auch daran erinnert, wie jung diese altehrwürdige Institution über all die Generationen hinweg geblieben ist.

Bitte nach Mitte! (2019)

Eine Schauspielschule im Umbruch. Ist ein Spiegel der Zeit. Ob Drittes Reich, Gründung der DDR oder die Wende, immer hat das auch Einfluss auf die auszubildenden Schauspieler und Schauspielerinnen. „Die Schauspielschule Ernst Busch“ ist ein Film hinter die Kulissen der Geschichte und unter die Bretter, die die Welt bedeuten.

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