Bezaubernde Lügen

Eine Filmkritik von Stefan Möller

Émilie statt Amélie

1999 kam Schöne Venus in die Kinos. Die Komödie, die größtenteils in einem Schönheitssalon spielt, verhalf Audrey Tautou, in einer Nebenrolle besetzt, zu ihrem ersten großen Erfolg, sie bekam für die Rolle der Marie den César als beste Nebendarstellerin. In der Hauptrolle damals Nathalie Baye. Elf Jahre später standen Tautou und Baye wieder gemeinsam vor der Kamera, und wieder ist es eine Komödie, in der ein Schönheits- bzw. Friseursalon zentraler Handlungsort ist. Bezaubernde Lügen, so der Titel des Films, der im Original De vrais mensonges heißt, markiert noch eine weitere bewährte Zusammenarbeit, denn auf dem Regiestuhl nahm Pierre Salvadori Platz, der mit Audrey Tautou bereits den ähnlich leichtfüßigen Film Liebe um jeden Preis gedreht hatte.
Jean (Sami Bouajila) ist im Friseursalon von Émilie (Audrey Tautou) und Sylvia (Stéphanie Lagarde) als Mädchen für alles angestellt – und er ist in Émilie verliebt. Schüchtern wie er ist, weiß er sich nur einen Rat: Er gesteht ihr seine Liebe anonym in einem Brief. Dumm nur, dass seine Angebetete diesen kühl lächelnd wegwirft, schließlich hat Émilie ganz andere Probleme. Ihre Mutter Maddy (Nathalie Baye) hat auch nach vier Jahren die Trennung von Émilies Vater nicht überwunden und befindet sich gerade (mal wieder) in einer mittelschweren depressiven Phase. Um sie aufzuheitern, fasst Émilie den Entschluss, Jeans Liebesbrief abzutippen und ihn wiederum anonym Maddy zu schicken. Der Plan scheint zunächst aufzugehen, Maddy erstrahlt in neuem Glanz. Das vermeintliche späte Glück ist aber nur von kurzer Dauer, denn natürlich bleiben weitere Briefe aus. Émilie bleibt also nichts anderes übrig, als einen neuen Liebesbrief an ihre Mutter zu verfassen. Der enttäuscht aber zutiefst, viel zu platt und uninspiriert wirkt er im Gegensatz zu den Worten Jeans. So folgt der nächste Versuch, unter Zuhilfenahme einer halben Flasche Wodka. Und diesmal wird der gewünschte Erfolg erzielt, was freilich weniger an dem Brief selber liegt, sondern daran, dass Maddy in Jean, der den Brief ahnungslos bei ihr einwirft, den Verfasser zu erkennen glaubt. Fortan weicht sie ihm nicht mehr von der Seite, sodass Émilie Jean bittet, auf das Spiel einzugehen. Widerwillig und unter Zuhilfenahme etlicher Wodkas (es wird überhaupt unglaublich viel Wodka getrunken in diesem Film) willigt er ein. Was folgt ist ein heilloses Durcheinander bis Émilie irgendwann begreift, dass der ursprüngliche Brief von Jean stammt.

Sicherlich ist Bezaubernde Lügen kein Film, der die gewohnten Pfade der Liebeskomödie (besonders jener französischer Herkunft) verlässt, um mutig narratives oder ästhetisches Neuland zu betreten. Vielmehr lebt der Film davon, dass man es sich in ihm gut einrichten kann, weil man genau weiß, dass unliebsame Überraschungen und harsche Wechsel in der Tonalität hier nicht vorkommen werden. Er folgt also jenem Erfolgsrezept, das dann seitens der schreibenden Zunft gerne als „Feel-Good-Movie“ tituliert wird – fragt man genauer nach, was denn damit genau gemeint ist, dürfte eine schlüssige Definition zwar nicht leicht fallen; dennoch weiß jeder sofort, was damit gemeint ist.

Auch Bezaubernde Lügen ist ohne jeden Zweifel ein Film, dem viel daran liegt, genau jene Stimmung einzufangen, die das (in diesem Fall wohl vorwiegend weibliche) Publikum von einer französischen Liebeskomödie solchen Zuschnitts erwartet. Die Mittelmeersonne taucht die liebevoll gestaltete und detailversessene Szenerie in ein warmes Licht und die Probleme, die hier (wenn überhaupt) angeschnitten werden, sind solcherart angelegt, dass man das Happy End bereits am Horizont erahnen kann.

Aus der Besetzung ragen vor allem zwei Akteure heraus: Natalie Baye spielt die himmelhoch jauchzende, zu Tode betrübte Maddy mit solch einer Verve, dass Audrey Tautou stellenweise neben ihr ins Hintertreffen zu geraten droht. Mindestens ebenso umwerfend ist auch Judith Chemla in einer Nebenrolle als panisch-verhuschte Salonangestellte Paulette, die vom ganzen Chaos heillos überfordert wird. Sie sorgt zweifelsohne für die komischen Höhepunkte des Films.

Problematischer ist da schon die Zeichnung der beiden Hauptcharaktere: Émilie beispielsweise schwankt zwischen krasser Egozentrik, die sie dazu bringt, manipulativ in das Leben anderer einzugreifen und erscheint dann im nächsten Moment wieder als verletzliches Wesen, das doch nur in den Arm genommen werden will. Jean hingegen vollzieht im Laufe des Films die Wandlung vom liebevollen, verständnisvollen Schwiegermuttertraum zum Arschloch und wieder zurück. Zwischen diesen Extremen, die vor allem dem Drehbuch (von Pierre Salvadori und Benoît Graffin) zuzuschreiben sind, und den verschiedenen Liebeswirren, Notlügen und Missverständnissen, die die Handlung vorantreiben, bleibt zu wenig Zeit und Raum für Tiefgang und einen wirklichen Einblick in das Innenleben, so dass die Motivationen von Émelie und Jean nicht immer plausibel sind. Und im weiteren Verlauf der Geschichte droht der Film gar an den vielen Finten und Wendungen zu scheitern, doch es ist vor allem ein prächtig aufgelegtes Ensemble, das dies zu verhindern weiß.

Bezaubernde Lügen ist sicherlich kein Film, mit dem Audrey Tautou trotz der Namensähnlichkeit ihrer Rolle mit ihrem bislang größten Erfolg an Die fabelhafte Welt der Amélie anknüpfen kann. Dennoch: Für 105 sommerlich-leichte und unterhaltsame Minuten ohne allzu viel Tiefgang und größere Überraschungen ist der Film allemal gut.

Bezaubernde Lügen

1999 kam „Schöne Venus“ in die Kinos. Die Komödie, die größtenteils in einem Schönheitssalon spielt, verhalf Audrey Tautou, in einer Nebenrolle besetzt, zu ihrem ersten großen Erfolg, sie bekam für die Rolle der Marie den César als beste Nebendarstellerin. In der Hauptrolle damals Nathalie Baye.
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