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David Dietl porträtiert in „Berlin Bouncer“ drei Berliner Türsteher. Er versucht es zumindest. Das geht alles sehr in die Hose, weil Dietl sich in einem Thema verliert, das ihn anscheinend gar nicht interessiert.

Berlin Bouncer (2019)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Draußen vor der Tür

Der Anfang des Films ist super. Wir sehen einen bulligen Typen, dessen ganzer Körper bei seiner Arbeit als Türsteher unmissverständliche Autorität ausstrahlt. Und wir sehen einen schlaksigen Menschen an einer anderen Tür, an einem anderen Club, mit anderer Strategie, aber gleicher Ausstrahlung. Die Arbeit von Türstehern: Wie geht das vor sich? Wie setzen sie sich durch? Nach welchen Kriterien wählen sie aus, wer reindarf? Diese ersten Minuten erfüllen, was der Filmtitel „Berlin Bouncer“ verspricht: Türsteher sprechen über sich und über ihre Arbeit in der Partystadt Berlin. Doch David Dietl verliert alsbald sein Thema, und damit den Film.

Frank Künster, Smiley Baldwin, Sven Marquardt: Der Erste ist nicht einfach Türsteher, er ist Mitgesellschafter des Clubs King Size. Ein Teil des Films dreht sich um diesen Club, der schließen musste, den Künster revitalisieren wollte, was aber auch alsbald wieder in die Hose ging. Einmal fährt Künster zurück nach Hause in die westdeutsche Provinz, trifft sich mit alten Klassenkameraden. Wie denken die eigentlich über seine Karriere? Sind Türsteher – im allgemeinen Denken – nicht eng verwandt mit Gewalttätern und Zuhältern? Das wäre ja mal ein interessanter Aspekt gewesen, dem Dietl rein gar nicht nachgeht. Künster hat einen Wikipedia-Eintrag.

Der Zweite ist Ex-GI, blieb in Berlin hängen, ließ sich nie gerne was sagen, hat eine Security-Firma und offenbar viele Kunden. Man sieht ihn ab und zu in Büroräumen, das Wort „Berlinale“ fällt … Auch das wäre interessant gewesen: Wie etabliert man ein Security-Unternehmen? Wie organisiert man es? Wie stellt man sich als Security-Mann auf verschiedene Auftraggeber ein? Aber David Dietl ist’s offenbar wurscht.

Der Dritte ist Türsteher im Berghain. Das wird immer wieder im Film gesagt, es ist eine Art Ehrentitel. Aber wir sehen Marquardt nie bei seiner Türsteherarbeit. Dafür macht er Bilder, er ist Fotokünstler, gibt auch ein Seminar. Also: Eigentlich ist er ein Fall für „Thema verfehlt“. Auch Marquardt ist auf Wikipedia vertreten.

David Dietl hat gerade auch einen Spielfilm am Start: Rate Your Date. Vor allem aber ist er der Sohn von Helmut Dietl. Der hat, beispielsweise mit Rossini, der Medien- und Kulturschickeria ein Denkmal gesetzt. Ähnliches versucht Dietl offensichtlich mit seinem Dokumentarfilm: Er will die Clubkultur durchdringen. Aber bei den Türstehern bleibt er stehen. Er kommt nie wirklich rein mit seinem Film. Erzählt mal dies, mal das, ohne wirklichen Zusammenhang. Er spürt den Stars der Szene nach, interessiert sich nicht für das Tagesgeschäft, interessiert sich nicht für die, die die Clubs leiten, auch nicht für die, die in die Clubs reinwollen, es scheint ihm vor allem um Porträts von Regionalpromis zu gehen, die die Clubkultur repräsentieren sollen. Einmal sieht man Leila Lowfire – Künster spielt mit ihr in einem Independent-WG-Rebellionsfilm, in dem alle nackig sind. Lowfire kennt man von Klaus Lemke, der ist ja auch so ein Adabei, und er hat Lowfire via Bildzeitung wärmstens beim Dschungelcamp empfohlen. Bei der King Size-Eröffnung steht Edeka-Supergeil-Liechtenstein rum, der muss halt auch irgendwie in der Szene mitmischen. Das sind so die Typen, die hier eine Rolle spielen, eine Rolle, die Dietl für wichtig hält. Aber in echt und wirklich: Da bleiben wir lieber draußen.

Berlin Bouncer (2019)

„Berlin Bouncer“ erzählt die Geschichte der Partymetropole Berlin durch die Augen der drei legendären Türsteher  Frank Künster, Smiley Baldwin und Sven Marquardt.

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