Begegnung

Eine Filmkritik von Stefan Otto

British Railway

Die Bahnhofskneipe als Begegnungsstätte. Der Bahnbeamte flirtet mit der Wirtin, die Hausfrau liebt den Arzt. Laura Jesson (Celia Johnson) lernte Dr. Alec Harvey (Trevor Howard) kennen, als ihr am Bahnsteig etwas ins Auge geriet und er es entfernte. Sie begegnen sich zuerst zufällig und später absichtlich wieder, sie gehen gemeinsam ins Kino und ins Kardomah Café, sie unternehmen Ausflüge mit dem Auto und treffen sich schließlich in der Wohnung eines Freundes. Abends kehren sie zu ihrem jeweiligen Ehepartner zurück, bis sie nach nur sieben Wochen feststellen, dass es so nicht weitergehen kann.
Im heimischen Wohnzimmer fragt Lauras Mann Fred nach einem Begriff für das Kreuzworträtsel, das er gerade löst. „Romanze“, meint sie. „Wir sind doch glücklich, nicht wahr?“, denkt sie für sich und die Filmzuschauer. „Ein glückliches Ehepaar. Das ist mein Zuhause. Du bist mein Mann. Und oben sind unsere Kinder und schlafen. Ja, ich bin glücklich verheiratet. Das heißt, ich war es bis vor wenigen Wochen. Das hier ist meine Welt und ich bin zufrieden darin. Das heißt, ich war es bis vor wenigen Wochen. Aber dann, Fred, geschah etwas. Ich war sehr dumm. Ich habe mich verliebt. Eine ganz gewöhnliche, verheiratete Frau verliebt sich. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas möglich ist. Dass gewöhnlichen, einfachen Menschen so etwas passieren kann.“

David Lean (Die Brücke am Kwai, Doktor Schiwago) drehte Begegnung (Brief Encounter) im 2. Weltkrieg. Die gefühlvolle Geschichte um eine leidenschaftliche, aber heimliche, eine eingestandene, aber unerfüllte Liebe, um Verzicht, um unterdrückte Wünsche und Begierden ist lange schon legendär und einer der großen Klassiker des britischen Kinos. Begegnung nach einem Einakter von Noel Coward war der letzte der drei Filme, die Lean für die Produktionsgesellschaft Cineguild inszenierte, die er mit Noel Coward und Ronald Neame gegründet hatte. Bei den ersten Filmfestspielen in Cannes 1946 gewann Begegnung den Grand Prix de la Critique. Der Film wurde außerdem für drei Academy Awards nominiert.

Die jetzt erschienene DVD präsentiert Begegnung in klaren Schwarzweiß-Bildern. Ein Filmkommentar in Form von Untertiteln (nur auf deutsch) ist zuschaltbar. Leider fehlt ein Kapitelverzeichnis.

Begegnung

Die Bahnhofskneipe als Begegnungsstätte. Der Bahnbeamte flirtet mit der Wirtin, die Hausfrau liebt den Arzt. Laura Jesson (Celia Johnson) lernte Dr. Alec Harvey (Trevor Howard) kennen, als ihr am Bahnsteig etwas ins Auge geriet und er es entfernte.
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Meinungen

Martin Zopick · 05.05.2021

Der große David Lean hat am Ende des 2. Weltkrieges eine unvollendete Romanze gedreht, die heute etwas aus der Zeit gefallen zu sein scheint.
Eine verheiratete Frau (Celia Johnson) begegnet einem verheirateten Mann (Trevor Howard) zwischen zwei Zügen, die jeden von ihnen zum jeweiligen Ehepartner und ihren Kindern bringen soll.
Keiner traut sich so recht frei nach dem Modus ‘NichtDoch…DochNicht‘. Der leise Humor macht das Melodram etwas erträglicher. Die Unentschlossenheit und Hilflosigkeit der beiden ist heute nur schwer nachvollziehbar. Laura und Alec wirken wie Kinder.
Wenn sie schon nur zwei Küsse auf ihrem Liebeskonto verbuchen, überrascht diese Fingerübung des Großmeisters (Brücke, Lawrence, Schiwago) nur mit einem unerwarteten Ende: vom schnellen Abschied auf dem Bahnhof landet sie im heimischen Sessel im Arm des Ehemanns: ‘Du warst so weit weg. Danke, dass du zurückgekommen bist.‘ END. Da kann man nur in der Musik von Rachmaninow Trost finden. Die passt so wunderbar herzzerreißend zur Atmosphäre des permanenten Abschieds. Jedes Treffen konnte das letzte gewesen sein. Das Ende kommt als Erlösung aus dem unerträglichen Sein eines Liebespaares, das sich nicht traut. Wenn man auf die Oscars schaut, sollte man nicht vergessen, dass wir uns produktionsmäßig im Jahre 1945 befinden.