Beeswax

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Eine Welt ohne Diskriminierung

Andrew Bujalski gilt als einer der vielversprechendsten Independent Filmer der USA und hat ein Faible für Justizthriller. In seinem dritten Spielfilm geht es zwar auch um eine Justizangelegenheit, er ist aber weit davon entfernt ein Thriller zu sein. Vielmehr steht ein Zwillingspaar im Mittelpunkt, das so seine Probleme mit Männern, Jobs und Geschäftspartnerinnen hat.
Jeannie (Tilly Hatcher) und Lauren (Maggie Hatcher) sind Zwillingsschwestern, deren einziger äußerlicher Unterschied der ist, dass Jeannie im Rollstuhl sitzt und Lauren einen sportgestählten gesunden Körper hat. Vom Wesen her sind die beiden allerdings sehr unterschiedlich, denn Jeannie ist in manchen Punkten etwas verbissen und introvertiert, während Lauren die Emotionalere von beiden ist und auch gerne mal einen Joint zur Entspannung raucht. Womit beide allerdings ihre Schwierigkeiten haben, sind Beziehungen zu Männern, die entweder vorschnell beendet oder lauwarm wieder aufgebrüht werden, was vielleicht an der innigen Geschwisterliebe liegt. Auch beruflich stehen die beiden Frauen an unterschiedlichen Punkten, denn während Lauren zur Zeit als Aushilfskraft in einer Landschaftsgärtnerei arbeitet und sich mit dem Gedanken trägt, als Lehrerin nach Afrika auszuwandern, führt Jeannie mit ihrer Freundin Amanda (Anne Dodge) einen Secondhand-Laden. Allerdings gibt es Unstimmigkeiten zwischen den beiden bezüglich ihres Geschäftes und Jeannie befürchtet, dass Amanda sie verklagen wird. Wie gut, dass ihr Ex-Freund (oder doch wieder Akut-Freund?) Merrill (Alex Karpovsky) kurz vor dem Juraexamen steht und ihr hilfreich zur Seite eilt. Nun werden alle Möglichkeiten durchgespielt, wie Jeannie eine Klage abwehren und den Laden retten kann. Auch die Lebensgefährtin ihrer Mutter bietet ihre Hilfe an, aber davon will die eigensinnige Jeannie nichts hören. Lieber begibt sie sich mit Merrill und Lauren auf meilenweite Autofahrten, um eine andere Lösung zu finden.

Eine der berührendsten Szenen des Filmes ist wohl die, in der Lauren ihre Schwester Jeannie im Huckepack zu einer Stelle trägt, die sie mit ihrem Rollstuhl nicht erreichen würde. Die Selbstverständlichkeit, mit der sowohl Jeannie als auch ihre Umwelt mit ihrer Behinderung umgehen, ist wohltuend und ermutigend. Sie zeigt die Rollstuhlfahrerin auf gleicher Augenhöhe mit ihrer Schwester, und dies, obwohl sie ein absolutes Sportass ist und mit ihren Freunden gerne die Zeit auf dem Fußballplatz verbringt. Aber diese Selbstverständlichkeit und friedfertige Stimmung, die sich trotz der Anwaltsstreitigkeiten durch den Film zieht, ist gleichzeitig auch das verstörende Moment des Films. Alle Mitwirkenden gehen ungewöhnlich verständnisvoll, behutsam und einsichtig miteinander um. Die lesbische Mutter ist kein Problem, Rassismus nicht existent, Behindertenfeindlichkeit unbekannt und Liebesbeziehungen sind die Leichtigkeit pur, was dazu führt, dass selbst der verlassene Lover von Lauren nicht weiter über die Trennung erschüttert ist. Alles wirkt wie das Bild einer Welt, wie sie sein könnte, es aber nicht ist. Wutausbrüche, Diskriminierung oder Aggressivität wie sie das echte Leben mit sich bringen, werden bei Beeswax völlig ausgeblendet, sind nicht existent. Auch der Konflikt zwischen Jeannie und ihrer Geschäftspartnerin verläuft ausgesprochen distinguiert, aber warum Amanda nun eigentlich Jeannie verklagt, wird nicht wirklich herausgearbeitet. Das abrupte Ende sorgt zusätzlich für Verwirrung und es bleibt die Frage, was der Regisseur dem Publikum mit diesem Film eigentlich sagen will, außer dass er es geschafft hat, einen Ultra-Low-Budget-Film zu drehen und mit Laiendarstellern zu arbeiten. Man wohnt alltäglichen Problemen von Menschen bei, die an einem beliebigen Punkt anfangen und an einem beliebigen Punkt aufhören, ohne dass sich dabei eine wirkliche dramatische Spannung aufbaut. Dabei sieht man dann Jeannie zu, wie sie mit Zahnseide ihre Essensreste aus dem Mund pult oder sich den Rotz von der Nase abwischt, ihre Angestellte in einen unerklärlichen Tränenausbruch verfällt oder Lauren nach ihrem verschwundenen Portemonnaie sucht. Vor allem aber muss man eine Engelsgeduld haben und den schleppenden Dialogen folgen (bei denen selbstverständlich jeder ausreden darf und niemandem das Wort abgeschnitten wird), die nur wenig über den Tellerrand der Figuren hinausgehen. Auch wenn dies alles Merkmale der Independent-Strömung „Mumblecore“ sind, so wäre doch weniger eintöniges Alltagsleben der Figuren und eine stärkere Herausarbeitung von Reibungspunkten wünschenswert und unterhaltsamer!

Beeswax

Andrew Bujalski gilt als einer der vielversprechendsten Independent Filmer der USA und hat ein Faible für Justizthriller. In seinem dritten Spielfilm geht es zwar auch um eine Justizangelegenheit, er ist aber weit davon entfernt ein Thriller zu sein. Vielmehr steht ein Zwillingspaar im Mittelpunkt, das so seine Probleme mit Männern, Jobs und Geschäftspartnerinnen hat.
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