Barbara (2017)

Eine Filmkritik von Maria Wiesner

Gescheiterte Kopfgeburt

Biografien zu verfilmen ist so eine Sache: Welche Episoden aus einem Leben schließt man ein? Was spart man aus? Wen besetzt man? Wie nah muss der Film am Leben der Person bleiben? Zumindest auf einige Fragen hat der Regisseur in Barbara eine klare Antwort: Zunächst besetzt sich Barbara-Regisseur Mathieu Amalric in der Rolle des Regisseurs in dem Film selbst.

Sein Film-Regisseur findet dann, dass eine filmische Biografie über die exzentrische französische Chansonsängerin Barbara sich so nah wie möglich an deren wahrer Geschichte orientieren sollte. Als Besetzung für die Rolle kommt für ihn nur die Schauspielerin Brigitte (Amalric besetzt hier seine frühere Ehefrau Jeanne Balibar) in Frage. Er gibt ihr die Bücher zu lesen, die Barbara las. Zeigt ihr Filme, die bei ihren Auftritten und auf Tour aufgenommen wurden. Er lässt sogar seine Produktionsassistenten Kleider, Parfüm und Originalschmuck der Sängerin zusammentragen. Schnell merkt man, dass seine Beschäftigung mit der Sängerin obsessiv ist und hinter diesem Drehprojekt mehr steckt, als nur die bloße Beschäftigung mit dem Leben einer interessanten Frau.

Schauspielerin Brigitte erliegt der Faszination für ihre Figur ebenfalls zunehmend. Sie identifiziert sich mehr und mehr mit ihrer Rolle, beginnt die Kleider der Sängerin auch in den Drehpausen zu tragen, übt deren Lieder selbst in einem kleinen Motel ein und ist immer mehr vom Leben der Exzentrikerin eingenommen. Im Laufe der Dreharbeiten stellt Brigitte dann fest, dass die Leidenschaft des Regisseurs für das Objekt seines Films aus frühester Jugend herrührt und dass er mit jedem Drehtag weniger zwischen Brigitte und Barbara unterscheiden kann.

Amalric inszeniert diesen Film über die Dreharbeiten zur Biografie einer fiktiven französischen Sängerin als Mise en abyme, bei der die Grenzen zwischen Dreh, fiktivem Dokumentarmaterial und der eigentlichen Rahmenhandlung immer weiter verschwimmen. Film im Film im Film sozusagen. Auf die Spitze treibt Amalric dieses Verwirrspiel in der letzten halben Stunde seines Films. Da kauft die Schauspielerin Brigitte das große Haus, in dem sich die Chansonsängerin Barbara niedergelassen hatte. Man sieht mal die Schauspielerin, mal die Sängerin durch die Räume wandeln, Instrumente ausprobieren, mit Musikern Songs aufnehmen und verliert doch völlig den Überblick, welche der beiden Frauen hier nun eigentlich zu sehen sein soll. Dass Balibar dabei sowohl Barbara als auch Brigitte spielt, macht die Sache nicht einfacher.

Und das ist nur ein Grund, der Barbara zu einem jener verkopften Filmbrocken macht, bei denen man sich nach 60 Minuten fragt, wie lang der Regisseur das Spiel noch weitertreiben will. Zu Beginn hatte man zumindest noch das Gefühl, Amalrics Ansatz für den Film zu verstehen. Man vermutete, dass er davon erzählen will, wie man sich im Werk einer anderen Person finden kann, wie deren Kunst einen so tief berührt und nicht mehr loslässt, dass man ihr ein Denkmal setzen will. Doch diese Fake-Biografie, die Amalric seinem Film zugrunde legt, bleibt dann doch über weite Stellen farblos. Wer ist diese Frau eigentlich, deren Leben hier verfilmt werden soll? Und warum sieht man ihr in solch langen Fake-Dokumentarsequenzen zu, ohne wirklich etwas über sie zu erfahren? Die Obsession des Regisseurs für die Sängerin ist irgendwann nur noch Randthema – wenn dies jemals als Motiv des Films gedacht war. Vielmehr sieht man Balibar dabei zu, wie sie Sachen tut und es ist eigentlich auch schon egal, wen sie hier gerade spielt. Dabei ertappt man sich bei dem Gedanken, Amalric sei vielleicht nie so recht von seiner Ex-Frau losgekommen und habe ihr hier noch einmal ein Denkmal setzen wollen. So dreht sich Barbara in Schleifen um sich selbst – und bleibt mit dem spröden Eindruck einer gescheiterten Kopfgeburt zurück.

Barbara (2017)

Biografien zu verfilmen ist so eine Sache: Welche Episoden aus einem Leben schließt man ein? Was spart man aus? Wen besetzt man? Wie nah muss der Film am Leben der Person bleiben? Zumindest auf einige Fragen hat der Regisseur in „Barbara“ eine klare Antwort: Zunächst besetzt sich „Barbara“-Regisseur Mathieu Amalric in der Rolle des Regisseurs in dem Film selbst.

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