Back to Africa

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Afrika? Afrika!

Auf ihrem Weg durch den europäischen Kontinent begeistert André Hellers Show Afrika! Afrika! ein Millionenpublikum und versteht es ganz nebenbei, unser Bild des schwarzen Kontinents, das vor allem von Katastrophennachrichten geprägt ist, sanft zu revidieren. Die Show zeigt afrikanische Künstler voller Selbstbewusstsein und einem beinahe unglaublichen Körpergefühl, die artistische Höchstleistungen vollbringen und einen Einblick in ihre Kultur und Folklore gewähren. Othmar Schmiderer nahm den Erfolg des Zirkus-Projekts, das von André Heller initiiert wurde, zum Anlass, um einige der dort auftretenden Artisten auf einem Kurzurlaub in ihrer afrikanischen Heimat zu begleiten. Herausgekommen ist dabei ein sehenswerter Dokumentarfilm, der die Lebenssituation der Künstler auf gelungene Weise einfängt, manches andere aber unter den Tisch fallen lässt oder allenfalls anschneidet. Eine durchaus bewusste Auswahl, wie Schmiderer betont: „Es war nicht meine Intention, mit Back To Africa einen explizit politischen Film zu machen. Viel mehr interessierte mich die außergewöhnliche Energie dieser Menschen, ihre Lebensgeschichte, ihre Kunst – und nicht zuletzt die Frage, wie sich diese Aspekte innerhalb und außerhalb des gewohnten Kulturkreises zeigen. Mir geht es in diesem Film um eine Annäherung an eine uns fremde Kultur, eine Kultur, von der wir Europäer sehr viel lernen könnten, wenn wir es zulassen würden“, so steht es in einem Statement des Regisseurs im Presseheft des Films zu lesen.
Fünf Artisten sind es, die Schmiderer mit der Kamera in ihre Heimat begleitet und sie damit den umgekehrten Weg antreten lässt wie viele Flüchtlinge aus Afrika: Mingue Diagne Sonko beispielsweise ist eine Tänzerin aus Dakar, der Hauptstadt des Senegal, die für die Show ihren Mann und ihren Sohn in ihrer Heimat zurückließ. So oft es geht, besucht sie die beiden und will in ihre Heimat zurückkehren, sobald sie für ihre Familie ein solides finanzielles Fundament geschaffen hat. Ebraima „Tata Dindin“ Jobareth aus Gambia spielt die Kora, die traditionelle Stegharfe und hat auch die Musik zu Back to Africa beigetragen. Wie viele seiner Kollegen von Afrika! Afrika! engagiert auch er sich in seiner Heimat für die Benachteiligten und gibt unter anderem Kostproben seiner Kunst im Dienste von Aufklärungskampagnen und Veranstaltungen zur Gesundheitsvorsorge. Georges Momboye ist Choreograph und Tänzer und stammt von der Elfenbeinküste. Als Sohn eines Stammesfürsten war er von Kindesbeinen an vertraut mit den verschiedenen Tänzen und Ritualen seines Clans und verstand es mittels des Tanzes, seine Körperbehinderung zu überwinden. Im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern der Show war Momboye allerdings schon frühzeitig in Europa verankert, seit 1992 lebt und lehrt er als Tänzer und Professor für Tanz in Paris. Der „Schlangenmensch“ Makaya Dimbelolo alias „Huit Huit“ aus Angola wurde in Angola als Sohn eines Senegalesen und einer Angolanerin geboren und wuchs im Kongo auf. Bereits vor seinem Engagement in André Hellers Show trat Huit Huit bei verschiedenen Galas und Festivals in Europa und Afrika auf und lebt mit seiner Familie in Europa. Dickson Oppong, der „Waterman“ stammt aus Ghana und ist ebenfalls seit längerem schon vorwiegend in Europa unterwegs. Sein Besuch in Kumasi ist der erste seit zwei Jahren. Doch bald wird der Waterman nicht mehr allein auf seinen Tourneen sein, seine Tochter Stefanie wurde ebenfalls für Afrika! Afrika! engagiert.

Schmiderers Reise mit seinen Protagonisten eröffnet einen neuen Blick auf den Kontinent. Statt Resignation sieht man Hoffnung und Aufbruchsstimmung, wo man auch hinkommt, Tanz und Musik bestimmen die Bilder und man hat den Eindruck, dass das Schlagwort von der „Hilfe zur Selbsthilfe“ hier längst Wirklichkeit geworden ist – auf sehr spielerische und leichte Weise und voller Lebensfreude. (Selbst-)Kritisches sucht man in diesem Film vergebens. Und das erklärt sich auch aus den Hintergründen des Zustandekommens: Immerhin realisierten Othmar Schmiderer und André Heller den Dokumentarfilm Im toten Winkel – Hitlers Sekretärin (2002) gemeinsam, was den Zugang Schmiderers zu seinem Stoff illustriert. So viel Nähe zum Gegenstand des Interesses ist zwar gerade beim Dokumentarfilm ein zweischneidiges Schwert. Denn trotz der positiven Botschaft der Show und des Films sind die Probleme in Afrika gravierend und die Künstler eben nicht exemplarisch, sondern überaus privilegiert. Doch auch die spezifischen Sorgen und Nöte der Künstler geraten angesichts der Faszination für Artistik und die mitreißende afrikanische Musik ein wenig ins Hintertreffen – die seltenen Kontakte zu den Großfamilien, das Atem- und Heimatlose des Zirkuslebens, sie klingen nur kurz und beiläufig an und werden vom Film nicht weiter verfolgt.

Das ist einerseits ein Manko eines schön fotografierten und hochinteressanten Films. Doch zugleich spiegelt es auch den Geist jener fünf Artisten wieder: Mit Talent, unendlich viel Fleiß und großem Willen haben sie es geschafft, sich etwas aufzubauen und eine Perspektive zu schaffen. Die unzähligen Projekte, die daraus entstanden sind, zeigen, dass der Waterman, Tata Dindin und all die anderen zwar Einzelfälle sind, dass sie aber einem ganzen Kontinent ein neues Gesicht und Hoffnung geben. Es wurde auch höchste Zeit dazu.

Back to Africa

Auf ihrem Weg durch den europäischen Kontinent begeistert André Hellers Show Afrika! Afrika! ein Millionenpublikum und versteht es ganz nebenbei, unser Bild des schwarzen Kontinents, das vor allem von Katastrophennachrichten geprägt ist, sanft zu revidieren.
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