Auf Anfang [...reprise] (2006)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Leben im Konjunktiv

Was wäre, wenn wir die Chance hätten, unser Leben immer wieder wie einen Film auf einen bestimmten Punkt zurückzudrehen, um uns in den wichtigen Momenten dann anders zu entscheiden? Was wäre, wenn wir – wie im Film – immer wieder zurück auf Anfang gehen könnten? Würde unser Leben dann anders verlaufen? Wären wir dann vielleicht sogar glücklicher?

Erik (Espen Klouman Høiner) und Philip (Anders Danielsen Lie) sind miteinander befreundet. Sie sind beide Schriftsteller, Anfang Zwanzig und träumen vom großen Durchbruch. Der erste Roman, mit viel Herzblut geschrieben, soll ihnen zu einem guten Start verhelfen. Während Eriks Buch grandios scheitert und mit einem Hinweis auf die vollkommene Talentlosigkeit seines Urhebers abgelehnt wird, gelingt dem sensiblen Philip der Coup, sein Werk wird auf Anhieb als „Entdeckung des Jahres“ in Norwegen gefeiert. Doch der Preis für den Ruhm über Nacht ist hoch – Philip entwickelt eine Psychose, die ihn in die Psychiatrie befördert. Sein einziger Halt ist Kari (Viktoria Winge), an die sich der Frustrierte klammert, denn den Mut zum Weiterschreiben hat er verloren. Umso wichtiger wird die Rückversicherung dessen, was einmal gut war und ihn durchs Leben trug – Freundschaften und eben die Beziehung zu Kari. Doch eine Reise nach Paris, wo die beiden glücklichere Tage verlebt haben, bringt den Bruch. Das Scheitern des einen bedeutet gleichzeitig das Glück des anderen, denn Philips Freund Erik hat sich durch die harsche Absage nicht entmutigen lassen und nun, im zweiten Anlauf, gelingt ihm die Veröffentlichung seines Romans. Allerdings sind die Reaktionen in den Medien nicht so positiv wie erhofft…

Selten war es so schwierig, den Inhalt eines Filmes so nachzuerzählen wie bei diesem Werk, dem Debütfilm des jungen norwegischen Regisseurs Joachim Trier, der auf verschiedenen Festivals für Furore sorgte. Denn Auf Anfang […reprise] / Reprise ist ein Spiel mit den Möglichkeiten, wie alles hätte sein können, ein essayistisch anmutender Versuch über die Alternativen, die das Leben bereithält und die Folgen, die daraus erwachsen. Und Joachim Trier lässt es ein ums andere Mal bewusst im Unklaren, ob es sich bei den Geschehnissen, die gerade erzählt werden, um pure Einbildung und um die Realität handelt – sofern der Begriff „Realität“ bei einem Spielfilm überhaupt greift. Verwirrend? – Ja sicher, aber zugleich ist das auch ungeheuer faszinierend und erinnert an Christoffer Boes Spiel Reconstruction, der ebenso virtuos mit verschiedenen Realitäten und Wahrnehmungsebenen jonglierte. Es mag nun ein Zufall sein, dass beide Filme aus Skandinavien kommen. Doch wenn man die Entwicklung der Filmszene in den nördlichen Regionen der letzten 20 Jahren betrachtet, kommt man nicht umhin anzuerkennen, dass dort offensichtlich innovativer gedacht, geschrieben und gedreht wird.

Auf Anfang […reprise] / Reprise ist ein atemberaubender Film, ein kühnes, schnelles Experiment in Inhalt und Form, das etliches Genres streift, dekonstruiert und wieder neu zusammensetzt, das an Filme wie Letztes Jahr in Marienbad / L’Année Dernière à Marienbad erinnert und das es trotzdem schafft, etwas ganz Eigenständiges zu erschaffen und auf der Höhe der Zeit zu sein. Virtuos jongliert Joachim Trier mit verschiedenen Wahrnehmungs- und Bewusstseinsebenen, ist manchmal tiefsinnig, beinahe philosophisch, dann wieder beiläufig und banal, aber niemals langweilig, sondern immer auf Speed. Vor allem aber verleiht er seinen Figuren, insbesondere Philip als Zentrum des Films emotionale Tiefe und Wahrhaftigkeit.

Wenn es einen Preis für frisches, neues und mutiges Erzählen geben würde, Joachim Trier wäre in diesem Jahr sicher ein ganz heißer Kandidat dafür. Wer weiß, vielleicht ist dieser Film ja der Beginn einer großen europäischen Filmkarriere – den passenden Nachnamen hat Trier dafür jedenfalls schon.
 

Auf Anfang [...reprise] (2006)

Was wäre, wenn wir die Chance hätten, unser Leben immer wieder wie einen Film auf einen bestimmten Punkt zurückzudrehen, um uns in den wichtigen Momenten dann anders zu entscheiden?

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