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Auch mehr als 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs sind dessen Verwerfungen sichtbar. Eva Gerberdings und André Schäfers Dokumentarfilm spürt einem beinahe Vergessenen nach: dem Kaufmann und Ästheten Max Emden.

Auch Leben ist eine Kunst - Der Fall Max Emden (2018)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Restitution mit filmischen Mitteln

Jeder Berliner kennt das Kaufhaus des Westens (KaDeWe), jeder Münchner den Oberpollinger, viele Hamburger den Polo Club in Altona. Ihren einstigen Besitzer kennt heute kaum jemand. Ein Dokumentarfilm spürt diesem nun nach und zeichnet ein vielschichtiges Bild des 1874 in Hamburg geborenen und 1940 auf der Schweizer Seite des Lago Maggiore verstorbenen Max James Emden.

Manchmal ist Schweigen Gold, in Max Emdens Fall ist es beredt. Die Filmemacher Eva Gerberding und André Schäfer hatten im Verlauf ihrer Dreharbeiten mehrfach um Stellungnahmen von Behörden und Institutionen gebeten. Doch weder der Senat der Stadt Hamburg noch die deutsche Bundesregierung oder die Regierung der Schweiz waren zu einer Aussage bereit. Kein Statement ist auch ein Statement.

Auch ohne Rückmeldung von offizieller Seite ist Gerberdings und Schäfers Dokumentarfilm keine einseitige Angelegenheit. Dazu war Max Emdens Leben zu wechselvoll und komplex. Emden war vieles: Kaufmann, Lebemann und früher Hippie; assimilierter Jude und konvertierter Protestant; Hamburger, Deutscher, später Schweizer; angesehener Bürger und vom Nazi-Regime Verfolgter; einer der größten Immobilienbesitzer Deutschlands und ein seines Grundbesitzes (indirekt) Enteigneter. Er liebte die Frauen, die Kunst und die Architektur, Polo, Golf und Motorboote. Eine schillernde Figur, auf den Schwarzweißfotos stets braungebrannt, deren Vielschichtigkeit sich während der ruhigen Narration erst ganz allmählich wie ein Puzzle zusammenfügt.

Das Regieduo erzählt Emdens Leben über dessen Enkel Juan Carlos, einen Chilenen, der sich in Deutschland und in der Schweiz auf Spurensuche begibt. Gemeinsam mit dem Historiker und Biografen Ulrich Brömmling schreitet er noch vorhandene und im Krieg verschwundene Wegmarken der Familiengeschichte ab. Brömmling wird derweil nicht müde, auf Emdens Verdienste um die Stadt Hamburg hinzuweisen. Auf den Brissago-Inseln des italienisch-schweizerischen Grenzsees, auf denen sein Großvater ab 1928 lebte, gesellt sich Juan Carlos‘ Sohn hinzu. Journalist und Biograf Francesco Welti pläudert über Emdens Schweizer Zeit und den „Neptun des Lago Maggiore“ munter aus dem Nähkästchen.

Juan Carlos Emden geht es um Gerechtigkeit. „Ich will Ehre für einen Mann, der ehrenhaft war und meinen Kindern den Eindruck hinterlassen, dass ich der letzte Don Quijote war, der für etwas gekämpft hat, für das es sich zu kämpfen lohnt“, sagt er an einer Stelle, wie immer freundlich, ruhig, aber bestimmt. Diese Ehre geht mit Wiedergutmachung einher, mit Entschädigungen für verlorene Immobilien und eine prächtige Kunstsammlung, die im und nach dem Zweiten Weltkrieg von Emden und seinen Erben veräußert werden mussten. Eins der verkauften Gemälde hing erst bei Hitler, dann beim Bundespräsidenten. Mittlerweile grüßt es im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden von der Wand. Einer der vielen seltsamen Wege, die das Leben in diesem Film einschlägt.

Der Familienanwalt, Museumsdirektoren und eine Provenienzforscherin kommen zu Wort und machen die komplizierte Sachlage vieler Restitutionsfälle verständlich. Dabei verliert der Film Max Emden schon mal aus dem Blick und gerät zum kleinen Exkurs über Raubkunst. Angesichts der weiterhin schwelenden, noch lange nicht abgeschlossenen Debatte im Anschluss an den Schwabinger Kunstfund, den Fall Cornelius Gurlitt aus dem Jahr 2012, kann das nicht schaden.

Juan Carlos Emdens Kinder wohnen heute in Hamburg, der Geburtsstadt ihres Urgroßvaters. Ob dieser dort jemals die Anerkennung erhalten wird, die ihm nach Meinung der im Film interviewten Historiker zusteht, steht auf einem anderen Blatt. Auch Leben ist eine Kunst macht zumindest einen Anfang.

Auch Leben ist eine Kunst - Der Fall Max Emden (2018)

Kunstsammler, Mäzen, schillernder Lebemann, Spross einer der angesehensten jüdischen Familien Hamburgs: Max Emdens Kaufhausimperium war 1925 eines der größten Europas. Und doch wurde ihm der lange Arm der Nazis zum Verhängnis — 1940 starb er. 

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