Arbitrage

Eine Filmkritik von Tomasz Kurianowicz

Finanzhai ohne Skrupel

Man könnte fast schon von einem neuen Genre sprechen, das sich seit der Wirtschaftskrise von 2008 durchgesetzt hat: der Anti-Finanzkapitalismus-Film. Damit sind Produktionen wie Mein Stück vom Kuchen oder Cosmopolis gemeint, die – mal mit mehr oder minderem Erfolg – veranschaulichen, wie der moralische und ökonomische Verfall im Kino dargestellt werden kann. Doch dieser Kreuzzug wirft auch Probleme auf: Denn der Hedge-Fonds-Manager ist ein schwer zu porträtierender Bösewicht. Er agiert nicht per se zähnefletschend und korrupt, nicht mit Waffen oder blutbeschmierten Messern, die plastisch eine Chronologie des Tathergangs zu rekonstruieren ermöglichen. Sondern er agiert im Stillen: in einem nüchternen Büroraum, in dem sich die fatalen Konsequenzen seiner Entscheidungen nicht zeigen. Diesem Widerspruch muss sich jeder Regisseur stellen.
In Arbitrage, dem neuen Film von Nicholas Jarecki, fällt dieses Dilemma nicht auf. Denn der amerikanische Regisseur hat für seinen neuesten Film einen Schauspieler verpflichtet, der durch sein sympathisches, ja geradezu joviales Auftreten die Paradoxien zwischen Galanterie und Gier zu verbinden versteht: Richard Gere spielt den CEO Robert Miller, dessen Leben ein durchtriebenes Maskenspiel ist. Wir erleben ihn am Anfang des Films an seinem 60. Geburtstag, umgarnt von seiner wunderschönen Frau Ellen (Susan Sarandon) und seiner erfolgreichen Tochter Brooke (Brit Marling), die gemeinsam mit ihm sein erfolgreiches Leben feiern. Roberts Existenz könnte in der Tat kaum schillernder sein: Privatflugzeug, Schmuck, Geld – all das gehört zu seinem galanten Jet-Set-Lifestyle. Zwischen all dem Erfolg machen sich aber immer wieder Ungereimtheiten bemerkbar, die sein elitäres Leben mit einem dunklen Schimmer aus Lügen überschatten.

Das erfährt der Zuschauer erst dann, wenn Michael ein Gespräch mit einem Gläubiger führt, von dem er sich sehr viel Geld geliehen hat, um seine Firma vor dem Bankrott zu retten. Gleichzeitig versucht er, sein Unternehmen für noch größere Summen zu verkaufen, um das faule Geschäft mit einem fetten Gewinn abzuschließen. Klingt exakt nach jener Strategie, die unter anderem die Finanzkrise von 2008 ausgelöst hat. Das Problem ist nur, dass Robert seine Bücher – im Vergleich zu den Hedge-Fonds-Managern der Nuller Jahre – unachtsam frisiert hat. Das Kartenhaus droht in sich zusammenzufallen.

Auch in privater Hinsicht: Denn Robert hat nicht nur ein abgekartetes Finanzleben, sondern auch eine verlogene Ehe. Nebenbei hübscht er sich seinen trostlosen Alltag mit einer jungen französischen Künstlerin auf, die ihn in freien Minuten aus New York City in eine stille Waldhütte begleitet. Eines Nachts passiert dann die Katastrophe, die sein Leben völlig aus der Bahn wirft: Robert passt bei einer nächtlichen Autofahrt nicht auf und verursacht einen schweren Unfall. Seine Geliebte stirbt – und Robert flüchtet vom Tatort. Von nun an muss er sich vor der Justiz nicht nur wegen seiner Finanzen verstecken, sondern auch wegen des Todes eines Menschen. Als Counterpart fungiert der raffinierte Cop Syd Felder (Stuart Margolin), der Roberts Maskerade von Anfang an durchschaut. Dieses Katz-und-Maus-Spiel sorgt bis zum Schluss für Spannung. Die Frage ist nur: wird die Gerechtigkeit siegen?

Wenn man so die reißbrettartige Parallelisierung zwischen ökonomischem und moralischem Verfall Revue passieren lässt, könnte man auf den Gedanken kommen, dass sich Regisseur Jarecki die Sache zu leicht macht. Durchtriebene Hedge-Fonds-Manager können gleichzeitig treue Katholiken sein, und umgekehrt. Ist es also nicht etwas kleingeistig, private und berufliche Entscheidungen in moralischer Hinsicht kurzzuschließen? Jarecki umgeht den Konflikt, indem er Richard Gere in seiner ganzen Doppelbödigkeit zeigt: Man beginnt sogar, Sympathien für Robert und sein Versteckspiel zu entwickeln, so dass der Betrachter daran erinnert wird, dass Gier und der „Wille zur Macht“ allzumenschliche Eigenschaften sind. Durch die Empathie mit dem Bösewicht stellt sich allmählich eine tiefsinnige und zugleich erschreckend einfache Erkenntnis ein: Man beginnt zu verstehen, dass nicht der Hedge-Fonds-Manager als Individuum der Bösewicht ist, sondern die Gesellschaft, die seine Taten schulterzuckend legitimiert. Und das wirft letztlich die Schuldfrage an den Zuschauer zurück.

Arbitrage

Man könnte fast schon von einem neuen Genre sprechen, das sich seit der Wirtschaftskrise von 2008 durchgesetzt hat: der Anti-Finanzkapitalismus-Film. Damit sind Produktionen wie „Ein Stück vom Kuchen“ oder „Cosmopolis“ gemeint, die – mal mit mehr oder minderem Erfolg – veranschaulichen, wie der moralische und ökonomische Verfall im Kino dargestellt werden kann. Doch dieser Kreuzzug wirft auch Probleme auf: Denn der Hedge-Fonds-Manager ist ein schwer zu porträtierender Bösewicht.
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