Antonia

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Underdogs auf dem Weg nach oben

Es ist ein starkes Bild: vier Frauen, wie sie eine Straße heraufkommen, so fröhlich und selbstbewusst, als gehörte ihnen die Welt. Die Vier sind auf dem Weg nach oben, zu ihrem ersten Auftritt als „Antonia“. So nennen sich die Hip-Hop-Sängerinnen, wenn sie gemeinsam auf der Bühne stehen. Sie wissen, wovon sie im Film erzählen. Es ist zu großen Teilen ihre eigene Story, authentisch und zugleich spannend in Szene gesetzt.
„Naturalistisch“ nennt die brasilianische Regisseurin Tata Amaral ihren Stil. Das bedeutet in diesem Fall, dass sie eine Spielhandlung mit dokumentarischen Elementen anreichert. Es geht um den gründlich recherchierten Alltag junger Frauen in einem Elendsviertel von Sao Paulo. Um den Teufelskreis von Armut, Drogen und Gewalt, aber auch um die Kraft, da herauszukommen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Die Geschichten von Preta, Barbarah, Mayah und Lena handeln von unzuverlässigen Männern, frühen Schwangerschaften und allgegenwärtiger Gewalt. Sie sind so authentisch, dass sie auch in einem Dokumentarfilm vorkommen könnten, wenn man das frühere Leben der Protagonistinnen ein paar Monate begleitet hätte.

Aber es gibt neben dem Alltag auch die Geschichte von Antonia, der Hip-Hop-Gruppe. Die ist spielfilmgerecht erzählt und verbindet kraftvolle Bühnenshows mit nachdenklichen Szenen. Die ersten Erfolge der talentierten Sängerinnen sind nämlich nicht von Dauer. Zu groß ist der äußere Druck und zu schwach ist am Anfang das Gegengewicht weiblicher Solidarität. So wird aus dem Quartett erst ein Trio und dann gar ein Duo. Und es ist klar, dass die zerstrittenen Freundinnen genau das brauchen werden, was sie in ihren Songs beschwören: die Kraft, niemals aufzugeben.

Zugegeben, für sich genommen wäre die Story vom Aufstieg aus den Slums zum Rap-Star bloß ein Märchen. Dass es in Antonia glaubwürdiger zugeht, verdankt der Film seiner außergewöhnlichen Entstehung. Die endgültige Geschichte und die Dialoge wurden in einem aufwendigen Probenprozess entwickelt. Vorgegeben waren den Laien-Schauspielern, die alle aus der Hip-Hop-Szene stammen, nur bestimmte Alltagssituationen, keine Handlungsanweisungen. Dadurch bekamen die ursprünglichen Drehbuchideen während der Proben zum Teil ganz andere Wendungen. Aus den Kopfgeburten der Regisseurin wurden Charaktere, die ihr eigenes Leben erzählen.

Wovon die Regisseurin– sehr zum Vorteil des Films – jedoch nicht abrückte, war die Idee, dem Hip-Hop eine positive Botschaft zu verpassen und die jungen Frauen nicht von ihrem Hass auf Gott und die Welt singen zu lassen, sondern von dem Willen und der Kraft, sein eigenes Leben zu leben. Das färbt auf den ganzen Film ab, der sein Sozialdrama mit einer erstaunlichen Lebensfreude unterfüttert. In Brasilien war es eine kleine Sensation, dass erstmals farbige Frauen aus den Favelas als positive Heldinnen dargestellt wurden. Um das nachzuvollziehen, mögen einem hierzulande die Landeskenntnisse fehlen. Was den Film jedoch für Europäer genauso interessant macht wie für Südamerikaner, ist die autobiografische Parallele zur Figur der alleinerziehenden Mutter Preta, die die Regisseurin in ihrem Film unterbrachte. Tata Amaral (Jahrgang 1960) bekam ihre Tochter mit 18, hatte kein Geld und keinen Beruf. Aber sie schaffte es allen Widerständen zum Trotz, in der Filmbranche Fuß zu fassen. Und drehte mit 26 Jahren ihre ersten Kurzfilme als Co-Regisseurin.

Antonia

Es ist ein starkes Bild: vier Frauen, wie sie eine Straße heraufkommen, so fröhlich und selbstbewusst, als gehörte ihnen die Welt. Die Vier sind auf dem Weg nach oben, zu ihrem ersten Auftritt als „Antonia“. So nennen sich die Hip-Hop-Sängerinnen, wenn sie gemeinsam auf der Bühne stehen. Sie wissen, wovon sie im Film erzählen. Es ist zu großen Teilen ihre eigene Story, authentisch und zugleich spannend in Szene gesetzt.
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Meinungen

jazzmin · 13.03.2011

ANTONIA nannten die vier Sängerinnen ihre Band, als sie noch Kinder waren, weil alle vier Großväter "Antonio" hießen. Gemeinsam treten sie zunächst als Background, später als Vorgruppe mit Rapmusik auf und sind so gut (tolle Stimmen und Bühnenpräsenz!) dass sie das Punlikum auf Anhieb gewinnen und einen Musikagenten überzeugen. Gerade als die ersten eigenen Auftritte kommen, bricht ihre bisher eingeschworene Gemeinschaft auseinander. Mutterschaft, Eifersucht und Gewalterlebnisse reduzieren das Quartett auf eine (starke!) Solostimme. Ihr Leben in privater und musikalischer Einsamkeit erträgt sie jedoch nicht und macht sich auf, alle vier wieder zu vereinen. - Die bewegende Geschichte um Freundschaft, Zukunftsträume, Bruch der Freundschaft wegen eines Mannes, Beziehungsmuster und Familienbande bringen die temperamentvollen Darstellerinnen bewegend rüber. Sie erkennen, texten und singen dass es stark macht sich zu fragen was frau wirklich will und diesen Traum zu verwirklichen.