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Drei Monate verbrachte der polnische Reporter Ryszard Kapuściński kurz vor der Unabhängigkeit Angolas in dem Land und wurde Zeuge eines erbarmungslosen Bürgerkrieges, der bis ins Jahr 2002 andauerte. Aus seiner Reportage ist ein eindringlicher Film entstanden, der die Grauen des Krieges spürbar macht.

Another Day of Life (2017)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

In den Wirren des Krieges

Drei Monate lang war der polnische Reporter und Schriftsteller Ryszard Kapuściński im Jahre 1975 in Angola unterwegs. Es waren die Monate vor der bereits zuvor beschlossenen Unabhängigkeit des Landes, das am 11. November 1975 aus der portugiesischen Kolonialherrschaft entlassen wurde.

Doch bereits zuvor entbrannte ein heftiger Kampf um das politische Schicksal des Landes, das aufgrund seiner Bodenschätze auch zum Spielball globaler Machtspiele wurde, die auch den Verlauf des dortigen Bürgerkriegs mit beeinflussten: Die beiden Befreiungsbewegungen FNLA und UNITA wurden von den USA und Südafrikas unterstützt, die MPLA hingegen erfuhr Unterstützung durch die Sowjetunion und Kuba. Another Day of Life, das auf Kapuścińskis gleichnamigem (deutscher Titel: Wieder ein Tag Leben, Originaltitel: Jeszcze jeden dzień życia) Buch basiert, schildert die kurze Zeit bis zur Unabhängigkeit aus der Sicht des Reporters als apokalyptischen Ritt voller Grausamkeit, in der der Journalist schließlich sogar gezwungen wird, selbst einzugreifen.

Der Film beginnt mit der Flucht vieler Portugiesen aus dem Land. Nach dem Ende der Kolonialherrschaft verpacken sie all ihre Habseligkeiten in Kisten, werfen die Schlüssel ihrer aufgegebenen Häuser ins Meer und überlassen das Land dem Chaos. Confusão (dt.: Verwirrung, Durcheinander)– dieses Wort wird immer wieder während des Filmes fallen. Und es erscheint angesichts der Zustände, von denen der Film durch die Augen Ryszard Kapuścińskis immer wieder berichtet, fast schon wie ein Euphemismus. Während die Lage in der Hauptstadt Luanda noch vergleichsweise ruhig ist, tobt im Süden des Landes die Entscheidungsschlacht zwischen den verschiedenen Parteien des Bürgerkrieges. Und genau dorthin zieht es auch den Reporter, der schon vieles über den legendären Commandante Furrasco gehört hat, der als ehemaliger Soldat der portugiesischen Kolonialarmee auf die Seiten der sozialistischen  MPLA geschlagen hat. Ihn will der Journalist in Diensten der polnischen Nachrichtenagentur interviewen. Doch der Weg in den umkämpften Süden ist voller Gefahren und die Lage Furrascos eigentlich aussichtslos. 

Im Stile einer Graphic Novel illustrieren die beiden Filmemacher Raul de la Fuente aus Spanien und Damian Nenow aus Polen die erschütternden Tage und Woche und zeigen ein Land im absoluten Chaos. Dabei nutzen sie geschickt die Möglichkeiten und Freiheiten, die ihnen das Medium bietet, indem sie beispielsweise immer wieder (alb)traumartige Sequenzen einbinden, in den sich Körper in Auflösung befinden, Menschen die Gestalt wechseln und immer wieder Verstorbene als Wiederkehrer den Verstand Kapuścińskis attackieren. Da ist beispielsweise die gerade 20 Jahre alte Carlotta, die trotz ihrer Jugend bereits eine Legende in den Reihen der MPLA ist. Sie rettet dem Reporter das Leben und wird später im Kampf fallen, wofür sich der Journalist verantwortlich fühlen wird. Oder Furrasco selbst, ebenso wie viele anderen Menschen, denen Kapuściński im Laufe der Zeit dort begegnete.

Das Besondere an dieser Art des filmischen Erinnerns ist die Kombination, die die beiden Filmemacher wählen, um das durch die Animationstechnik Verfremdete konkreter und realistischer zu gestalten: Rund 20 Minuten des Films bestehen aus Realfilmmaterial, Interviews mit den Beteiligten und Fotoaufnahmen aus der damaligen Zeit, so dass der Zuschauer sowohl Bilder der echten Carlotta sieht wie auch den früheren Commandante Farrusco sowie zahlreiche andere Figuren des Films kennenlernt – sofern sie den Krieg überhaupt überlebt haben. Dies verleiht dem Film ein hohes Maß an Authentizität und Nachvollziehbarkeit und sorgt für viel Empathie mit den auftretenden Figuren, von deren Leben der Film erzählt – was insbesondere für solche Momente gilt, in denen beispielsweise der frühere MPLA-Anhänger Queiroz bekennt, dass sich seine Wünsche und Hoffnungen an eine bessere Gesellschaft in Angola nicht erfüllt haben. 

Störend hingegen ist der permanente Score, der den Film begleitet und der mitunter recht pathetische Ton der Erzählung, der vermutlich durch die literarische Vorlage begründet ist. Der Terror des Krieges entfaltet sich so auf der Tonebene als anhaltende Attacke auf den Zuschauer und macht Gewalt und Tod auch akustisch erfahrbar. Leider aber überdeckt das musikalische Dauerfeuer auch all jene Momente, die Stille und Zurückhaltung vertragen hätten.

Überhaupt macht der Film keinen Hehl daraus, auf welcher Seite die Sympathien seines Protagonisten liegen – zumal das am Ende des Films stehende Zitat Kapuścińskis ihn als Kämpfer der Sache der Entrechteten und Schutzlosen ausweist. Nur für den Fall, dass das noch niemand im Verlauf des Films gemerkt haben sollte. Und genau das verleiht dem Film bei aller Eindrücklichkeit einen bitteren Beigeschmack: Dass der Kämpfer für die Wahrheit keinesfalls ganz frei von (auch ideologisch motivierten) Parteinahmen war und dass – wie sich später herausstellen sollte – er manchmal Reportage und Fiktion munter mischte, geht im Donnern, den Paukenschlägen und Soundeffekten schlichtweg unter.

Another Day of Life (2017)

Drei Monate verbrachte der polnische Schriftsteller und Journalist Ryszard Kapuściński im Jahre 1975 in Angola, als dort ein blutiger Bürgerkrieg tobte. Es waren drei Monate, die sein Leben vollständig veränderten. Seine Erlebnisse hat er in dem Buch „Another Day of Life“ festgehalten, das nun in einer europäischen Co-Produktion von dem Spanier Raúl de la Fuente und dem Polen Damian Nenow verfilmt wird. Dabei greifen die beiden Filmemacher auf die Techniken des Animationsfilms zurück und vermengen Fiktionales und dokumentarische Passagen. 

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