Animal Farm – Aufstand der Tiere (1982)

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Kampf dem Schweinesystem

Ist George Orwells weltberühmte „Manor Farm“ nun wirklich „die beste aller Welten“? Nein, beileibe nicht, denn der gemeinsame Schlachtruf („Alle Tiere sind Brüder! Alle Tiere sind gleich!“) der revoltierenden Tiere gegen ihren Suffkopf-Bauern Jones hält nicht lange an. Zwar ist die erste Rebellion geglückt – und ihr knechtender Herr alsbald ins Wirthaus vertrieben worden, doch im Hintergrund übernimmt längst ein gewisser Napoleon das Kommando auf diesem wiederum rasch prosperierenden Hof: Er ist quasi die Obersau in dieser zeitgeschichtlich überaus facettenreichen Fabel über Macht und Manipulation, Rebellion und Terror, Aufbegehren wie zivilen Gehorsam. Kurzum: In jener kulturhistorisch ziemlich raffinierten Reflexion Orwells über die globalen Machtverhältnisse kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wie über den politischen Zeitgeist der späten 1940er und frühen 1950er Jahre, der Entstehungszeit des Buches (1945) wie dessen aufwendiger Verfilmung (1951 – 1954) durch das eingespielte Regie- und Produzentengespann John Halas (The Owl and the Pussycat) und Joy Batchelor (Cinerama Holiday).

Beide hatten nicht umsonst während des Krieges gut 70 Propagandafilme im Dienste der British Army produziert, was man ihrer facettenreichen Trickfilmadaption – die sich im Übrigen bis auf den Schluss sogar relativ exakt an die literarische Vorlage hält – mehr als nur beiläufig ansieht. Denn ein Jugend- oder gar Kinderfilm, ist Animal Farm an keiner Stelle. Sehr bildgewaltig (Pink Floyd werden ihn für ihr späteres, heute selbst schon legendäres, Musikvideo zu Education mehr als nur einmal gesehen haben) geht es hier von Beginn an zu – und mitunter sogar recht martialisch: Speziell in der Musikgestaltung des aus NS-Deutschland vertriebenen Exilanten Mátyás Seiber, die regelrecht aufrüttelt und vor allem im Zauber der ersten halben Stunde ihre volle Kraft entfaltet.

Nicht minder fintenreich ging es auch während der Drehzeit im Hintergrund jener damaligen britischen Prestigeproduktion zu: Der CIA höchst selbst kaufte sich die Verfilmungsrechte und steuerte großzügig Produktionsgelder für die mehrjährige Trickfilmadaption bei, was naturgemäß nicht ganz uneigensinnig war … Denn im Grunde lässt sich dieses Stück Orwellscher Weltliteratur – erst recht in der visuell klugen, nur selten zu aufgesetzt wirkenden Handschrift von Halas und Batchelor – nicht nur aus heutiger Perspektive ebenso sehr als offene Kritik an der roten Sau, sprich Josef Stalin, und seinem zynischen Machtapparat an der Spitze der kommunistischen Bewegung lesen.

Denn wer denkt bei Drehbuchzeilen wie „Vertreibt diesen gemeinen Tyrannen!“, „Das ist der erste Fünf-Monats-Plan“ – oder in Anbetracht der mörderischen Sowjetführung besonders grotesk: „Luxus für alle!“ – nicht automatisch an den Menschenschlächter Stalin, der bekanntermaßen ihm unangenehme, sprich gefährliche Adjutanten – ähnlich wie Hitler – gerne mal aus dem Weg räumen ließ: Ohne Wiederkehr, versteht sich. Derselbe Effekt stellt sich genauso auf der visuellen Ebene ein: Plötzlich führen die Schweine nämlich die Todesstrafe wieder ein, propagieren massenhaft die Angst vor den „reaktionären Rechten“, womit die schwer bewaffneten Dorfbauern gemeint sind, und beseitigen – hofintern besonders grausam – eine Reihe unliebsamer oder nicht mehr arbeitsfähiger Tiere, die schlussendlich als Knochenleim (!) enden und auf diese Weise den Weg zu „ihrem“ Bauernhof zurückfinden, was weitere todtraurige Assoziationen an die millionenfache Barbarei im Zweiten Weltkrieg weckt.

All dieser geschichtspolitische Hintergrund ist für heutige, und vor allem auch jüngere, Augen und Ohren extrem wichtig, da man sonst leicht Gefahr läuft, viel zu wenig auf Orwells bissige – oftmals ironisch gebrochene – Sprachgewalt („Alle Tiere sind gleich. Manche Tiere sind gleicher als andere.“) zu achten. In der englischen Originalfassung, die dieser neu erschienenen Blu-ray-Special-Edition von Animal Farm in vorzüglicher Bildqualität beigefügt wurde, entfaltet sie erst richtig ihre Wucht. Wer dagegen der deutschen Mono-Sprachfassung dieses ungemein zeitlosen Zeichentrickfilmklassikers lauscht, ist aufgrund manch grober Übersetzung (z.B. „als Schneeball-Liquidator“) durchaus öfter mal irritiert.

Zur Ironie der Orwellschen Vita gehört zudem das Faktum, dass der Autor selbst im Herzen ein überzeugter Linker war – mit durchaus radikalem Einschlag. Nicht umsonst kämpfte er beispielsweise im Spanischen Bürgerkrieg in den Reihen der marxistischen Arbeiterpartei. Und trotzdem wurde im späteren Ostblock kaum ein anderes Werk so strikt verboten wie Animal Farm, dessen verschiedene Arbeitsfassungen von britischen Verlagsleitern wiederum zuvor noch reihenweise abgelehnt worden waren, bis im kurz darauf offen ausbrechenden Kalten Krieg Orwells Buch plötzlich selbst als Propagandawaffe der westlichen Alliierten eingesetzt wurde. George Orwell selbst hätte sich da sicherlich noch mal im Grabe umgedreht, aber er starb bereits 1950 – und hatte die filmische Version von Halas und Batchelor niemals gesehen.
 

Animal Farm – Aufstand der Tiere (1982)

Ist George Orwells weltberühmte „Manor Farm“ nun wirklich „die beste aller Welten“? Nein, beileibe nicht, denn der gemeinsame Schlachtruf („Alle Tiere sind Brüder! Alle Tiere sind gleich!“) der revoltierenden Tiere gegen ihren Suffkopf-Bauern Jones hält nicht lange an.

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