Angèle und Tony

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Rau, aber authentisch

Soll das schon alles gewesen sein? Eine Zweckheirat ohne Gefühle? Eigentlich könnten Angèle und Tony mit dem Wenigen zufrieden sein, das eine solche Beziehung böte. Denn das Leben hat ihnen schon Schlimmeres beschert. Aber getreu dem alten Sponti-Spruch „Seid realistisch, verlangt das Unmögliche“ geht da noch was in Alix Delaportes großartig zurückgenommenem Spielfilmdebüt.
Das erste Mal treffen sich die haltlos wirkende Angèle (Clotilde Hesme) und der biedere Fischer Tony (Grégory Dagebois) wegen einer Kontaktanzeige. Tony kommt zu spät, denn er verspricht sich nichts von dem Treffen. Zu jung, zu hübsch und zu lebenslustig ist die 27-Jährige, als dass sie sich wirklich für den korpulenten, wortkargen Pragmatiker interessieren könnte. In der Tat hat Angèle nicht den Mann im Sinn, den sie mit schnellem Sex zu ködern versucht. Ihr geht es um die bürgerliche Existenz, das gesicherte Auskommen in geordneten Verhältnissen. Eine Heirat, so erfahren wir nach und nach, würde Angèles Chancen verbessern, ihren Sohn zurückzubekommen, der ihr wegen ihres kriminellen und unsteten Lebenswandels weggenommen wurde. Tony weist sie ab, aber Angèle nistet sich bei ihm ein, indem sie eine Stelle in dem kleinen Fischereibetrieb annimmt. Das kann nur so lange gut gehen, wie die Wahrheit über Angèles früheres Leben im Dunkeln bleibt.

Unter dem düsteren Himmel der Normandie spielt Angèle et Tony in einer rauen, karg-schönen Meereslandschaft. Wie die Lebensumstände, so auch die Menschen: verhärmt, hart, unverblümt. Aber genauso authentisch und geradlinig. Regisseurin Alix Delaporte scheint dieses Milieu gut zu kennen. Mit wenigen Strichen gelingen ihr komplexe Charakterzeichnungen, ohne dass die naturgemäß simplen und wenig originellen Porträtskizzen ins Klischee kippen.

„Die Typen hier sind zäh, die brauchen Zeit“, sagt einmal eine Frau aus dem Dorf zu Angèle. Das ist mehr als ein pragmatischer Ratschlag weiblicher Taktik. Das ist zugleich das Geheimnis des ganzen Films. Diese Romanze nimmt sich den Raum, den es braucht, um klarzumachen, warum die Menschen hier so sind, wie sie sind. Warum sie angesichts der Lebensumstände recht haben mit ihrer Wortkargheit, ihrem Misstrauen und ihrer scheinbaren Gefühlsarmut. Mitten in dieser realistischen Schilderung geschehen dann – irgendwo unter der herben Oberfläche – die kleinen Wunder, von denen einige gerade wegen ihrer Schlichtheit lange im Gedächtnis bleiben werden: ein verhuschtes Lächeln, eine gemeinsame Fahrradfahrt, ein stummes Einverständnis auf dem Schiff.

Anders als bei vielen klassischen Romanzen sind die Hindernisse, die der Liebe zwischen Angèle und Tony entgegenstehen, keine dramaturgischen Kniffe, um das „Sich-Kriegen“ hinauszuschieben. Sie sind wohl begründet in den Charakteren und Lebensumständen. Die vom Leben nicht gerade Verwöhnten brauchen genau diese Zeit, um ihren Weg aus der Sackgasse zu finden und ein Vertrauen aufzubauen, das über eine reine Zweckbeziehung hinausgeht. Das ist vielleicht deshalb so berührend, weil es mit sehr reduzierten filmischen Mitteln erzählt wird. Und nicht mit all dem bombastischen Orchestersound und den überzuckerten Hochglanzbildern.

Angèle und Tony

Soll das schon alles gewesen sein? Eine Zweckheirat ohne Gefühle? Eigentlich könnten Angèle und Tony mit dem Wenigen zufrieden sein, das eine solche Beziehung böte. Denn das Leben hat ihnen schon Schlimmeres beschert. Aber getreu dem alten Sponti-Spruch „Seid realistisch, verlangt das Unmögliche“ geht da noch was in Alix Delaportes großartig zurückgenommenem Spielfilmdebüt.
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Meinungen

Krebsfleisch · 07.08.2011

@Georg S. dann hättest du mal etwas aufpassen müssen! Sie hat ihren Mann umgebracht. Diese Information wird sehr spannend peu a peu preisgegeben!

Georg S. · 24.07.2011

Also dieser Film lief gestern (bzw Freitag) bei uns in der Sneak Preview. Ich habe es selten erlebt, dass soviele Leute den Saal wieder verlassen.

Ja es soll nicht eine Hollywood-Super-Romanze sein, aber es ist auch so nicht ansprechend. Dieser Film mag schöne Landschaften zeigen, doch die Geschichte ist einfach nur langweilig. Die Szenenübergänge äußerst radikal, die Handlung teilweise sinnfrei.

Beispielsweise wird erwähnt sie war 2 Jahre im Gefängnis, hat auch einen Bewährungshelfer dem sie Rapport leistet. Doch warum war sie im Gefängnis? Keine Auskunft.

Enttäuschender Film.

Josef Tura · 28.06.2011

Nicht mit bombastischem Orchestersound, stimmt. Aber dafür leider mit aufdringlichem und viel zu laut abgemischtem Klaviergeläpper an den unpassendsten Stellen. Das wär so ein schöner Film - ohne das Gedudel!