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Ein Mann, eine Tat, eine Bewegung: vorwärts. In seinem ersten abendfüllenden Spielfilm folgt Ico Costa einem verschlossenen Eremiten durch Portugals Wälder. Doch was treibt ihn an?

Alva (2019)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Auf der Flucht

Männer allein in der Wildnis –  im Kino kann das mal zu philosophisch angehauchter Tragik wie in Sean Penns „Into the Wild“, mal zu einem immersiven Überlebenskampf wie in Alejandro Gonzalez Iñárritus „The Revenant“ führen. In Ico Costas Langfilmdebüt führt es zu …, ja wozu führt es eigentlich? Im Grunde zu nichts.

Es fällt schwer, über dieses Drama zu schreiben, denn es geschieht nicht viel. Henrique (Henrique Bonacho) lebt einsam und abgeschieden in den Bergen Portugals. Seine sozialen Kontakte beschränken sich auf ein paar Bekannte, die in seiner heruntergekommenen Behausung nach dem Rechten sehen, ihm Milch abkaufen oder ihm raten, Kartoffeln anzubauen. Doch selbst mit ihnen wechselt Henrique kaum ein Wort; nuschelt lieber in seinen Bart und hält sich an seiner silbernen Tabakdose fest.

Costa inszeniert dieses karge Eremitenleben in einem dokumentarischen Stil. Kameramann Hugo Azevedo verwendet kein künstliches Licht. Auf Musik verzichtet der Film komplett. Azevedo klebt stets dicht am Protagonisten und lugt ihm über die Schulter, als ein erster Wendepunkt die Handlung vorantreibt. Henrique lauert einer Frau auf. Wie sich später herausstellt, ist sie Psychologin dafür verantwortlich, dass Henrique seine zwei Töchter nicht mehr sehen darf. Er verfolgt sie bis nach Hause, harrt bis zum nächsten Morgen in seinem Auto aus und marschiert mit seiner Flinte vor ihre Tür. Ob er sie umbringt, bleibt offen. Gemeinsam mit der Kamera bleibt auch das Kinopublikum außen vor.

Mit dem Gefühl, außen vor zu bleiben, lässt sich Costas Debüt ganz gut beschreiben. Was die Hauptfigur denkt, was sie fühlt, was sie antreibt, bleibt alles offen. Nach der Tat erstarrt die Handlung. Obwohl Henrique vor den Behörden flieht und ständig in Bewegung ist, geht nichts mehr voran. Die immer gleichen Bilder von Fluchtbewegung, Nahrungssuche und Übernachtung in einem Unterschlupf wechseln sich ab. Doch auch visuell bietet Costa seinem Publikum nichts an. Einmal badet Henrique nackt im titelgebenden Fluss. Wie er im Sonnenschein scheinbar auf dem Wasser schwebt, ist schön. Außer dieser bleibt keine Einstellung in Erinnerung.

Der Regisseur und Drehbuchautor ließ sich von echten Fällen inspirieren, über die er etwas in der Zeitung gelesen hatte. Und durch den Verzicht auf eine „klassische narrative Struktur“, wie Costa seine Inszenierung in einem Statement benennt, fühlt sich Alva beinahe echt an. Er hat einen stummen Thriller ohne Höhepunkte, eine Art Gegenentwurf zu Andrew Davis‘ Auf der Flucht (1993) gedreht. Bei der Wirkung hat sich der Debütant allerdings verschätzt. Er habe einen Film drehen wollen, „der das Publikum nicht anleitet, was sie über die Figuren denken sollen, der sie aber in den Bann zieht und beunruhigt“, hat Costa gesagt. Mit dem ersten Teil liegt er goldrichtig. Was das Publikum über Henrique denken soll, ist bis zuletzt nicht klar. Nur in den Bann zieht einen diese Figur kein bisschen. Beunruhigend ist weniger die Geschichte als die beängstigende Laufzeit: 98 Minuten Langeweile.

Alva (2019)

Der rätselhafte Außenseiter Henrique lebt allein in seiner Hütte in den Bergen. Nur selten bekommt er Besuch von Bekannten aus dem Dorf, die ihm Essen bringen oder Milch abkaufen. Etwas brodelt in dem verschlossenen Mann, den eine dunkle Vergangenheit zu prägen scheint. Sein Sozialleben beschränkt sich aufs Nötigste und nachdem er ein Verbrechen begeht, begibt er sich auf die Flucht in die Berge. Er scheint nicht nur vor der Gesellschaft und seiner Vergangenheit wegzurennen, sondern auch vor sich selbst. In den wilden Wäldern Nordportugals trifft er eine Entscheidung.

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