Alphaville

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Lemmy Caution im Reich der Entmenschlichung

Düster, kühl und permanent unterschwellig bedrohlich wirkt diese streng kontrollierte Welt, die der Privatdetektiv Lemmy Caution alias Iwan Johnson (Eddie Constantine) als Reporter getarnt in der Mission aufsucht, den dort eingesetzten Geheimagenten Henri Dickson (Akim Tamiroff) zu kontaktieren. In dem mondänen Hotel, in dem er absteigt, wimmelt es von so genannten Vermittlerinnen, die distanzierten, mechanischen Hostessen gleich den dort residierenden Herren auch in intimer Hinsicht zu Diensten sind. Das gespenstische und doch wiederum nüchterne Alphaville wird vom mächtigen Computer Alpha 60 beherrscht, der von Professor von Braun alias Professor Nosferatu (Howard Vernon) entwickelt wurde. Über dessen Tochter Natacha (Anna Karina) bemüht sich Lemmy Caution, den Professor ausfindig zu machen, und obwohl Empfindungen ebenso wie persönliche Bindungen unter Todesstrafe verboten sind, bahnt sich zwischen dem Privatdetektiv und der jungen Frau ein näheres Verhältnis an. Gemeinsam sind sie in der unwirtlichen Gegend unterwegs, in der menschliche Regungen wie Tränen strafbar sind und die Sprache unter Aussperrung poetischer und philosophischer Sphären auf ihre reine Funktionalität reduziert wird. Dabei lehrt Lemmy Caution die in gängigen Formalismen erstarrte Natacha, in die er sich nichtsdestotrotz verliebt, das verschüttete Vokabular der Gefühle …
Jean-Luc Godard hat mit Alphaville von 1965 seinen ersten Science Fiction Film realisiert, der in Paris gedreht wurde und auf in diesem Genre übliche Spezialeffekte verzichtet. Die allein durch eindrucksvolle Kameraeinstellungen und außergewöhnliche Lichtinstallationen verfremdete französische Metropole transportiert in Kombination mit der atmosphärisch dicht und dunkel angelegten Dramaturgie die futuristischen Elemente dieses seltsamen Thrillers, der immer wieder auf die verbotene Macht des Kreativen vor allem im sprachlichen Ausdruck referiert. Dass der Held der Geschichte in Person der damals populären Figur des Lemmy Caution erscheint, der vorwiegend ein an leichter Krimiunterhaltung interessiertes Publikum ansprach, wirkt wie ein kalkulierter Zynismus des Regisseurs, der damit nachhaltig einen zusätzlichen Entfremdungsaspekt installiert.

Alphaville, dessen ungewöhnliche Inszenierung mit einer ganz wunderbar intensiv agierenden Anna Karina von undurchdringlichen internen Codes begleitet zu sein scheint, wurde bei den Internationalen Filmfestspielen von Paris mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. Die auf der DVD befindlichen Extras – vor allem die Dokumentation Alphaville, périphéries von Emmanuelle Franc, die sich im Rahmen von Interviews mit der Crew des Films ganz ausführlich mit seiner Entstehung sowie den Hintergründen beschäftigt – liefern aufschlussreiches Material zu dieser geheimnisvollen Geschichte, die im Grunde weniger ein in der Zukunft angesiedeltes Szenario entwirft als vielmehr eine filigrane Gesellschaftskritik darstellt, die dem Rückzug der Gefühlswelten und der postulierten Entmenschlichung mit den sanften Waffen der Poesie begegnet.

Alphaville

Düster, kühl und permanent unterschwellig bedrohlich wirkt diese streng kontrollierte Welt, die der Privatdetektiv Lemmy Caution alias Iwan Johnson (Eddie Constantine) als Reporter getarnt in der Mission aufsucht, den dort eingesetzten Geheimagenten Henri Dickson (Akim Tamiroff) zu kontaktieren.
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