Almanya - Willkommen in Deutschland

Eine Filmkritik von Claire Horst

Migration und Integration – einmal ganz anders

„Bin ich Deutscher oder Türke?“, fragt der sechsjährige Cenk Yilmaz (Rafael Koussouris). Das ist wichtig für ihn, um in der Schule die richtige Fußballmannschaft zu wählen. „Man kann auch beides sein“, tröstet ihn seine Cousine Canan (Aylin Tezel), die ganz andere Probleme hat. Sie ist schwanger, und davon wissen ihre Eltern noch nichts. Wie das ist mit der Identität, erklärt Canan ihrem kleinen Cousin anhand der Migrationsgeschichte ihrer Großeltern. Und dieser Erzählung lauscht nicht nur Cenk, sie bildet den Rahmen für den ganzen Film. Mit dem fasziniert lauschenden Jungen springen auch die Zuschauer in die Vergangenheit zurück.
Das Deutschland der Wirtschaftswunderzeit mit seinen gesungenen Werbespots, glücklichen Arbeitern und Hausfrauen, das Zeitalter der endlich wieder vollen Schaufenster lässt sich aus der Sicht einer muslimischen Gastarbeiterfamilie noch einmal ganz neu kennen lernen. Autowaschende Nachbarn, reich geschmückte Weihnachtsbäume und ein verdrecktes Klo zum Draufsetzen – Fatma (Lilay Huser) versteht die Welt nicht mehr, als sie in Deutschland ankommt. Ihr Mann Hüseyin (Vedat Erincin) hat sie und die Kinder nachgeholt, und nun soll sie hier leben, einkaufen, ohne ein Wort zu verstehen?

Was will dieser Verkäufer von ihr? Und wovon handelt dieses merkwürdige Weihnachtslied? Komische Verfremdungseffekte stellen sich ein, wenn das eigentlich Bekannte plötzlich vollkommen absurd erscheint. Denn die Verlorenheit der ersten Gastarbeiter wird durch einen von Charlie Chaplin entliehenen Trick leicht nachvollziehbar: Die Deutschen in Almanya sprechen eine unverständliche Kunstsprache – wie einst Charlie Chaplin in Der Große Diktator. Für Hüseyin und Fatma ist es ein Schock, als auch ihre Kinder beginnen, sich in dieser Geheimsprache zu unterhalten.

Jahre später, sie sind längst selbst Eltern, fahren diese Kinder nur ungern mit in die Türkei. Hüseyin, inzwischen in Deutschland eingebürgert, hat ein Haus in der Heimat gekauft und lädt die ganze Großfamilie ein. Auf dieser Reise kommen Konflikte hoch, brechen alte Streitereien auf – und wird der Zusammenhalt der Familienmitglieder untereinander deutlich. Trotz aller Unterschiede lieben und respektieren sie sich – und auch eine uneheliche Schwangerschaft führt keineswegs zum Ehrenmord, wie es in anderen deutschen Filmen über Muslime so gern gezeigt wird. Tod und Liebe, Familienstreitigkeiten und Generationenkonflikte, das sind die universellen Themen, mit denen die Familie zu kämpfen hat.

Neben aller Dramatik – denn die Schwierigkeiten der Migration werden hier keineswegs heruntergespielt – bietet Almanya genug Anlass zum Lachen. Die Alpträume des Großvaters vor der Einbürgerung, die verzweifelten Versuche der deutschen Nachbarn in den 1960er Jahren, sich verständlich zu machen, stellen die Filmemacherinnen mit viel Humor dar. Dass die Witze manchmal etwas banal geraten, ist verzeihlich – viele gelungene Vorbilder hat Almanya nicht. Denn wie viele Filme nahmen bisher die Gastarbeiterperspektive ein? Großartig, dass das Einwanderungsland Deutschland endlich aus ihrer Sicht gezeigt wird — auch wenn diese Gastarbeiter so angepasst sind, dass eine Rede für Angela Merkel zur Krönung ihres Lebens gerät.

Den Schwestern Yasemin und Nesrin Samdereli ist mit Almanya ein wunderbares Roadmovie gelungen, das mit seinen liebenswerten Charakteren ein klein wenig an Little Miss Sunshine erinnert. Wie in der amerikanischen Familienkomödie sind es auch in Almanya drei Generationen, die sich gemeinsam auf der Reise befinden. Viel mehr passiert nicht in diesem Film: Eine Familie bereitet eine Reise vor, fährt los und erreicht ihr Ziel. Die eigentliche Handlung liegt in der Erinnerung.

Yasemin und Nesrin Samdereli haben gemeinsam an dem Film Alles getürkt und für die Serie Türkisch für Anfänger gearbeitet. Vielleicht daher die unverkrampfte Leichtigkeit, mit der sie die so umfassenden Themen Migration und Identität anpacken. Ein weiteres Plus sind die Gastauftritte von bekannten Schauspielern wie Axel Milberg und Katharina Thalbach.

Almanya - Willkommen in Deutschland

„Bin ich Deutscher oder Türke?“, fragt der sechsjährige Cenk Yilmaz (Rafael Koussouris). Das ist wichtig für ihn, um in der Schule die richtige Fußballmannschaft zu wählen. „Man kann auch beides sein“, tröstet ihn seine Cousine Canan (Aylin Tezel), die ganz andere Probleme hat. Sie ist schwanger, und davon wissen ihre Eltern noch nichts.
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Meinungen

ester · 01.04.2016

hmmm jeg synes det er godt

liliput · 21.05.2013

Aber den Jesus am Kreuz so darzustellen ist meiner Meinung
ist unterste Gürtellinie. Beim Mohamed gäbe es schon Rachezüge
gegen die Ungläubigen.

Michael Schwarz · 30.05.2011

Ein sehr sympathischer Film, den man noch lange im Gedächtnis behält,weil er mehr leistet als alle Integrationsbeauftragte und Ausländerbeiräte, einfach weil er offen, ehrlich und unvoreingenommen ist. Auch die braunste Dumpfbacke wird danach nicht mehr so weiterhetzen können wie vorher - der Film entwaffnet und leistet damit mehr als man von einem Spielfilm erwarten kann. DANKE !

Frank aus Berlin · 16.05.2011

Sehr schöner Film! Sehr witzig, liebevoll und mit Gefühl ohne ins Kitschige abzudriften.
Sehr empfehlenswert!

Steffi · 12.05.2011

Ein sehr schöner Film mit Klasse Schauspielern. Ich kann ihn nur weiter empfehlen.

GJGKHLJÖIK · 28.04.2011

super film :)

Franziska · 17.04.2011

Ein toller Film! Ich hab ihn mir zweimal angesehen. Ich wünschte mir, ich wäre in so einer türkischen Familie aufgewachsen und nicht in einem Elternhaus, in dem keine Gefühle möglich waren.

Hermann · 05.04.2011

Ein wunderbarer Film, dermich Tränen hat lachen und heulen lassen. Sympathischer kann man 2 Welten nicht miteinander verschmelzen. Unbedingt reingehen. Ihr kommt anders wieder raus.
Tolle Schauspieler, tolle Kamera. Von mir Nominierung zum GOLDENEN LAMM!

Emine Bulus · 29.03.2011

Einfach großartig!

Abhijay · 18.03.2011

ein ziemlich vergnüglicher film, und das ist auch gleichzeitig meine kritik daran: mit witzigen szenen und lustigen anekdoten versucht der film, mir ultrakonservative werte wie familienehre, tradition, patriarchat, religionsregeln, verlogene familiengeheimnisse, kopftuchzwang etc. mit einem augenzwinkern unterzujubeln - da fühle ich mich manipuliert... denn lustig ist es schon, und man lacht auch - erstmal ohne nachzudenken, worüber eigentlich..

Maria · 17.03.2011

ganz wunderbar dieser film

Erdogan Uy... · 16.03.2011

Habe vieles wiedererkannt. Der Opa der in seine Heimat ein Schrotthaus kauft. Der kleine Cenk der in der Schule schon wieder am Rand steht. So war es bei uns damals in den 80er auch. Wir waren die aussen. Verdeutsche Türken dem das Essen zu scharf ist. Deutsch oder Türke - Nein Türke oder doch deutsche. Herrlich.
Die Oma die sagt "muss muss". Das sind ja so viele Kleinigkeiten die ein Deutsche nicht verstehen kann.

Philipp · 16.03.2011

Lustiger Film, der an einigen Stellen zum Denken anregt. Man lernt das Migration auch einmal aus dem anderen Blickwinkel zu sehen-auf humorvolle Weise.

Ina · 14.03.2011

Den Film als Komodie zu bezeichnen fand ich völlig übertrieben.
Der Film hat mir gelegentlich ein Schmunzeln entlockt.
Er ist nicht schlecht gemacht - aber in meinen Augen keine Komödie!!!

Ertürk · 07.12.2010

"wo ist Problem? du kommen aus dem Osten, ich kommen aus dem Osten!" super! :D