Alles für meinen Vater

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Leiche auf Urlaub

Immer der Ärger mit der Technik: Als sich der junge Palästinenser Tarek (Shredi Jabarin) mitten auf dem belebten Carmel-Markt von Tel Aviv in die Luft sprengen will, versagt der Schalter, der die an seinen Leib geschnallte Bombe zur Detonation bringen soll. Bei seiner Suche nach einem Ersatzteil gerät der Selbstmordattentäter im Feindesland an den Elektronikhändler Katz (Shlomo Vishinski), der ein anderes Bauteil bestellen kann. Da aber Sabbat ist, muss Tarek nun zwei Tage herumbringen, bevor er sich erneut auf seine tödliche Mission machen kann. Um in Tel Aviv nicht aufzufallen, taucht Tarek bei dem ahnungslosen Katz unter und beginnt dessen marodes Dach zu reparieren. Der Aufschub bringt ungeahnte Folgen mit sich: Durch seinen Aufenthalt bei den Feinden beginnt der Palästinenser seine Todfeinde mit anderen Augen zu sehen – woran auch die junge Kioskbesitzerin Keren (Hili Yalon) schuld ist, in die sich Tarek verliebt. Doch Tarek hat auch eine Mission zu erfüllen: Er muss die Ehre seines Vaters wiederherstellen, der in der West Bank zu Unrecht als Kollaborateur beschuldigt wird. Nur wenn Tarek den Märtyrertod stirbt, wird seine Familie der Ächtung entkommen. Wie wird Tarek sich entscheiden?
Eine interessante und zurzeit leider wieder hochaktuelle Grundidee liegt diesem Film zugrunde: Was wäre, wenn die beiden Konfliktparteien im Nahen Osten (an)erkennen müssten, dass ihre Feinde genauso menschlich, genauso verletzlich und vom Leben gezeichnet und genauso liebenswert wären wie sie selbst? Wäre dies nicht ein Ansatz, um das sinnlose Blutvergießen auf beiden Seiten zu beenden? Die Antwort, die Alles für meinen Vater gibt, ist letzten Endes zwar ernüchternd, da sich schlussendlich niemand dem gesellschaftlichen Druck entziehen kann. Doch die Hoffnung und der feine Humor zwischen all dem Elend lassen zumindest davon träumen, dass eines Tages so etwas wie ein friedliches Zusammenleben zwischen Israelis und Palästinensern möglich sein könnte.

Wie Eran RiklisLemon Tree, so leidet auch Alles für meinen Vater manchmal ein wenig an seinen guten Absichten und hehren Motiven, ist oftmals zu sehr Parabel und Utopie, um vollends überzeugen zu können: So sind schon sehr viele dramaturgische Volten notwendig, um zu erklären, warum Tarek nicht von seinen beiden Begleitern Abed und Salim per Fernzünder in die Luft gesprengt wird. Wer die Rücksichtslosigkeit der Drahtzieher solcher Anschläge kennt, den dürfte die gefundene Erklärung nicht gänzlich überzeugen. Ebenso konstruiert wirken die vielen verschiedenen gesellschaftlichen Facetten und Personifikationen, die der Film wie an einer Perlenschnur aufgereiht präsentiert und durchdekliniert – von den Ultra-Orthodoxen über die Holocaust-Opfer bis zu den palästinensischen Begriffen von Ehre und Rache findet sich kaum ein Stereotyp, das nicht zumindest kurz angerissen worden wäre, um ein möglichst vollständiges und ausgewogenes Bild zu zeichnen. Nichtsdestotrotz bietet Alles für meinen Vater ähnlich wie Paradise Now einen vielfältigen und zutiefst menschlichen Einblick in das Innere eines Konflikts, der die Menschen in Israel und Palästina seit Jahrzehnten nicht zur Ruhe kommen lässt. Und wenn man die Filme, die in den letzten Jahren über den Nahost-Konflikt gedreht wurden, als Gradmesser für die Stimmung innerhalb der Bevölkerung nimmt, dann ist der Frieden zumindest in den Köpfen greifbar nah.

So erstaunlich wie der Film ist auch die Karriere des 1959 geborenen Regisseurs Dror Zahavi. In den Achtzigerjahren, also noch vor der deutschen Wiedervereinigung, absolvierte er ein Regiestudium an der Filmhochschule Konrad Wolf in Potsdam. Sein Abschlussfilm Alexander Penn – Ich will in allem sein (1988) war für den Studenten-Oscar nominiert. Nach der Wende drehte Zahavi etliche Fernsehfilme, darunter einige Folgen der Krimiserie Doppelter Einsatz. Es folgten weitere Fernsehfilme wie Der Kuss meiner Schwester (2000), Die Salsaprinzessin (2000), Am Ende des Tunnels (2002), Mutter auf der Palme (2004) sowie zuletzt die großen Eventfilme Die Luftbrücke (2005), für die er die goldene Kamera bekam und Der geheimnisvolle Schatz von Troja (2007), der für den Bambi nominiert war. Erst mit diesem Film kehrt Zahavi in seine Heimat Israel zurück und dreht zum ersten Mal seit langer Zeit wieder für die große Kinoleinwand. Und das nächste Projekt – auch dies wieder in enger Verbindung zu Deutschland – soll demnächst fertig gestellt werden: Es ist die Verfilmung von Marcel Reich-Ranickis Leben für einen Fernsehsender.

Alles für meinen Vater

Immer der Ärger mit der Technik: Als sich der junge Palästinenser Tarek (Shredy Jabarin) mitten auf dem belebten Carmel-Markt von Tel Aviv in die Luft sprengen will, versagt der Schalter, der die an seinen Leib geschnallte Bombe zur Detonation bringen soll.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Wolle · 03.04.2009

Sehr ergreifend, ich fand den Film klasse, auch wenn ich am Ende sehr traurig war. Ich kann den Film nur herzlich empfehlen!

Yoisy · 30.03.2009

Irgendwie komisch. Ich check den Sinn nicht :-(