Alipato - The Very Brief Life of An Ember (2016)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Zukunftsvision und Gegenwartskritik

Auch wenn Alipato — The Very Brief Life of an Ember zumindest nominell in der Zukunft angesiedelt ist, erkennt man doch schnell die deutlichen Bezüge zur tristen und von Hoffnungslosigkeit und Gewalt geprägten Gegenwart auf den Philippinen. Der Underground-Fimemacher Khavn de la Cruz, der mittlerweile seinen Nachnamen abgelegt hat, wirft einen derart trotzig-rotzigen Blick auf die Slums der Metropole Manila (die hier in Mondomanila umbenannt wird), dass die Drastik des Gezeigten, die bewusste Künstlichkeit und die allgegenwärtige Armut und Gewalt in dieser Welt ohne Aussicht auf Entkommen einerseits zwar theaterhaft übersteigert, andererseits aber auch als selbstverständlicher Bestandteil des Lebens erscheinen. Definitiv kein Film für jedermann, gleichwohl aber eine konsequente Fortführung der Filmreihe „Freie Radikale“, mit der der Kölner Filmverleih Rapid Eye Movies ein Schaufenster für exzentrisches und rebellisches Kino abseits von Mainstream und formelhaftem Arthouse geschaffen hat.

Den Film bei Vimeo schauen:

Externen Inhalt ansehen?

An dieser Stelle möchten wir Ihnen ein externes Video von Vimeo präsentieren. Dafür benötigen wir Ihre Zustimmung in die damit verbundene Datenverarbeitung. Details in unseren Angaben zum Datenschutz.

Zustimmen und ansehen

In einem Slum der Hauptstadt, in dem die Bewohner Kohle herstellen, hat sich eine Bande von Straßenkindern zu einer Gang mit dem Namen „Kostkas“ zusammengeschlossen. Gemeinsam stehlen sie, begehen kleinere Betrügereien und größere Raubzüge und schrecken selbst vor Mord nicht zurück. Das Leben im Slum ist hart und gerade Kinder sind die Schwächsten, die schnell unter die Räder gerade, wenn sie nicht mindestens ebenso abgebrüht und brutal sind wie die Erwachsenen. Dann aber hat der Anführer der Gang (Marti San Juan) genug vom alltäglichen Überlebenskampf und plant einen großen Überfall auf die Zentralbank von Mondomanila. Doch der Coup misslingt, das Geld verschwindet spurlos und der Boss landet für 28 Jahre hinter Gittern. Als er (nun gespielt von Dido de la Paz) nach fast drei Jahrzehnten entlassen wird, wartet die Bande immer noch auf ihn, denn sie hofft, dass er sie zu der damals verschwundenen Beute führen und damit die Not beenden kann. Auch einige korrupte Polizisten sind an dem Verbleib des Geldes interessiert. Der Boss aber schweigt. Und nach und nach werden Mitglieder der Bande ermordet. Schnell keimt der Verdacht auf, dass der Mörder vielleicht aus ihren eigenen Reihen kommt, einer, der mit aller Macht verhindern will, dass ein Geheimnis ans Licht kommt.

Khavn de la Cruz ist der vielleicht produktivste Filmemacher (49 Langfilme und rund 100 Kurzfilme hat er bereits realisiert) und ganz sicher der wildeste und provokanteste Regisseur des Inselreichs. Seine hektischen, rüden und mit sehr viel Punk-Attitüde herausgespuckten Werke stellen – wenngleich aus ganz anderen Gründen – ähnlich hohe Anforderungen an die Zuschauer wie die seines Landsmannes und Kollegen Lav Diaz: Ist es bei jenem eher die Langsamkeit und fast schon meditative Stimmung, die dem westlichen Zuschauer fremd erscheint, sind es bei Khavn eher das permanente Vollgas-Gefühl und die oftmals sprunghafte Narration, die den Kinobesucher auf eine harte Probe stellen.

Nach dem vergleichsweise ruhigen und fast schon elegischen Ruined Heart — Another Lovestory Between A Criminal and A Whore besinnt sich der Filmemacher wieder auf die eher groben Mittel und schroffen Erzählungen seiner vorherigen Filme: Zeitlupen und Zeitraffer erlauben wilde Sprünge und harsche Tempoverlangsamungen, grelle Kostümierungen und Lichtquellen wie Fackeln und die allgegenwärtigen Feuerstellen erwecken den Eindruck, man wohne hier einer Mischung aus Performance und Orgienmysterienspiel bei, dazu immer wieder eingestreute Miniaturen aus dem Dreck und dem Elend, bei denen ein Kind ins gerade zubereitete Essen pinkelt und selbst Achtjährige schon keck mit Knarre und Kippe posieren. Erst später wird Alipato etwas ruhiger und bedächtiger und flicht vor allem mittels der Grabsteine, die jeweils einen Todesfall illustrieren und abschließen, so etwas wie Humanität und Empathie in den Film ein, fast so, als wolle er zeigen, dass die Menschen, von denen er erzählt, zumindest im Tod so etwas wie Menschenwürde erfahren. Hält man sich vor Augen, mit welch Methoden der derzeitige philippinische Präsident Rodrigo Duterte gegen Drogendealer und andere unliebsame Mitglieder der Gesellschaft vorgeht, so liegt in dieser düsteren Dystopie nur ein kleiner Trost für die Menschen, die heute schon in Manila unter ähnlichen Umständen hausen, wie man es hier zu sehen bekommt.
 

Alipato - The Very Brief Life of An Ember (2016)

Auch wenn „Alipato — The Very Brief Life of an Ember“ zumindest nominell in der Zukunft angesiedelt ist, erkennt man doch schnell die deutlichen Bezüge zur tristen und von Hoffnungslosigkeit und Gewalt geprägten Gegenwart auf den Philippinen.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen