Agentenpoker

Eine Filmkritik von Stefan Dabrock

Der Tanz um die goldenen Geheimnisse

Geheimnisse machen neugierig und Leute, die beruflich mit Geheimnissen zu tun haben, umweht ein Mythos. Ronald Neame nutzt die romantische Vorstellung vom Agenten als gewieftem Taktiker, um in der Komödie Agentenpoker den Mythos der Geheimdienstler einerseits zu demontieren und ihn andererseits augenzwinkernd zu bedienen.
Der CIA-Agent Miles Kendig (Walter Matthau) ist ein alter Hase im Geschäft gegenseitiger Spionage. Deswegen nimmt er seinem russischen Widersacher Yaskov (Herbert Lom) auch nur einen Film mit wichtigen Hinweisen ab, lässt ihn aber laufen. Bei ihm weiß Kendig wenigstens, woran er ist. Sein Chef Myerson (Ned Beatty) kann mit der zahmen Gangart wenig anfangen und sieht den Vorfall ganz anders. Er will Kendig auf einen unattraktiven Büroposten abschieben, um eine härtere Linie im Außendienst durchsetzen zu können. Kendig lässt sich das nicht bieten. Er reist ins österreichische Salzburg, wo er seine alte Flamme Isobel (Glenda Jackson) trifft. Mit ihrer Hilfe will er sich an Myerson rächen, indem er seine geheimnisgespickten Memoiren verfasst. Kendig schickt die einzelnen Kapitel an die CIA, den KGB und weitere Geheimdienste, die Jagd auf ihn machen, um Schlimmeres zu verhindern.

Als Agentenpoker 1980 entstand, war Regisseur Ronald Neame schon eine Ewigkeit in Hollywoods Studiosystem tätig. Er hatte mit Stars wie Robert Mitchum, Gregory Peck oder Alec Guinness zusammengearbeitet, die Kunst klassischen Erzählens war ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Deswegen inszenierte er Agentenpoker ohne Knalleffekte und erzählerische Mätzchen. Ein wenig wirkt die doppelbödige Komödie wie ein neu entdeckter Film aus den 1960er Jahren, was zu einer Zeit, als das „New Hollywood“ in den letzten Zügen lag, schon wieder frisch erscheinen musste.

Hauptdarsteller Walter Matthau trägt mit seinem unwiderstehlichen Charme einen Großteil des Films. Ihm nimmt man das gewiefte Schlitzohr ab, das die Mechanismen der Geheimdienste so gut in- und auswendig kennt, dass er ein souveränes Katz- und Mausspiel initiieren kann. Dabei legt Kundig, ganz der alten, letztlich romantisch verklärten Schule verhaftet großen Wert darauf, seine Gegner mit taktischen Tricks in die Irre zu leiten. Ruppige Gewalt liegt ihm nicht. Einer seiner größten Coups gelingt ihm, als er sich mit seiner Tarnidentität in einem zur Miete stehenden Haus einquartiert, das seinem Boss Myerson gehört. Es ist eine große Freude, Kendig dabei zuzusehen, wie er seine Gegner an der Nase herumführt und seinen Agentenstil überlegen ausspielt. Dadurch gewinnt er im Laufe des Films eine mythologische Dimension als Superspion, die angesichts seines harmlosen Äußeren wieder konterkariert wird. So funktioniert Agentenpoker schon allein dank dieser Figur als Hommage an und Satire über das Spionagefilm-Genre.

Aber erst durch den Kontrast zu Myerson wird alles rund. Ned Beatty macht als chancenlos hinterherhechelnder Jäger auf Kendig eine hervorragende Figur. Die Frustration über den anhaltenden Misserfolg spiegelt sich in Beattys teils rumpelstilzchenartiger Körpersprache und seinen zunehmend genervten Gesichtsausdrücken wieder. Mit seinem ständigen Scheitern, Kendig dingfest zu machen, entlarvt er sich und den hinter ihm stehenden Geheimdienst als Lachnummer. Der Mythos bröckelt hier nicht mehr, er ist schon abgegangen. Und der Erfolg landet schließlich nur bei dem, der seine romantisch verklärte Natur mit doppelbödiger Geschicklichkeit weiterhin beschwören möchte.

Agentenpoker

Geheimnisse machen neugierig und Leute, die beruflich mit Geheimnissen zu tun haben, umweht ein Mythos. Ronald Neame nutzt die romantische Vorstellung vom Agenten als gewieftem Taktiker, um in der Komödie „Agentenpoker“ den Mythos der Geheimdienstler einerseits zu demontieren und ihn andererseits augenzwinkernd zu bedienen.
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